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Für jedes Flugblatt stirbt ein Baum: Wir machen Kritik hörbar!

In der Sendung vom 15.8. haben wir verschiedene Statements zu einer Antisemitismusdebatte in Kiel in ihrer chronologischen Reihenfolge eingelesen.
Außerdem haben wir eine längere Reaktion der Gruppe „Subvertere“ aus Kiel auf die Auseinandersetzungen über Antisemitismus diskutiert und ihren verkürzten und recht flachen Rassismusbegriff kritisiert; doch der Reihe nach…

Einer der Steine des Anstoßes, die Kieler Erklärung gegen Antisemitismus.

Danach gab es nocheinmal unsere Stellungnahme „Denk doch mal jemand an die Kinder!“ zu hören, die ihr auf unserem Blog nachhören und nachlesen könnt.

Der chronologisch nächste Text in der Auseinandersetzung, nach einer erneuten antisemitischen Zusammenrottung in der Kieler Innenstadt und einem Eklat auf einem antifaschistischen Bündnistreffen: Der Text „Gegen Kieler Unzumutbarkeiten…“ der Koordination gegen Antisemitismus inklusive der Feststellung, dass viele Kritikpunkte der Gruppe Subvertere ins Leere laufen würden, hätten sie den Text nicht nur selektiv gelesen.

Eine Kritik am verkürzten Rassismusbegriff der Gruppe Subvertere, das eventuell vom gesprochenen Wort leicht abweichende Skript zum Beitrag findet sich weiter unten.

Sehr ausführliche Diskussion und Kritik des Subvertere-Textes, in Hinblick auf Begriffe von Antisemitismus, Rassismus, Kolonialismus und Materialismus.

Skript zur Kritik des Rassismusbegriffs von Subvertere:

Geschätzte Genoss*innen von Subvertere,

Wir haben durchaus erfreut zur Kenntnis genommen, dass ihr mit einem ausführlichen Text unserer Einladung zu einer Debatte über Antisemitismus gefolgt seid. Leider müssen wir einen allzu eklektischen Umgang mit den kritisierten Texten bemängeln und auch über die vermeintlich „wahren“ Motive der „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“ zu spekulieren, ist eine Herangehensweise die wir methodisch fragwürdig finden. Es stimmt keineswegs, dass in den Veröffentlichungen der LPG(A) Löwenzahn und der Koordination gegen Antisemitismus, auf die ihr euch ja auch bezieht, der Antisemitismus zu einem Antisemitismus der „Anderen“ gemacht wird. So steht in der Stellungnahme „Gegen Kieler Unzumutbarkeiten…“ explizit:
„Aufgabe einer antifaschistischen Linken wäre auch, das von bürgerlichen Politiker*innen und Medien häufig bediente Bild eines „importierten“ Antisemitismus zu kritisieren und darauf zu verweisen, dass Antisemitismus seit jeher ein ekelerregendes Produkt deutscher Zustände ist, auch wenn die derzeitige Mobilisierungswelle bislang in erster Linie islamische Antisemit*innen auf die Straße getrieben hat.“

Dennoch sprecht ihr, wenn ihr das Verhältnis von Rassismus und Antisemitismus thematisiert, etwas an, wo die deutsche Linke noch etwas Nacharbeit anstehen hat. Auch euer Debattenbeitrag offenbart gewisse Schwächen in der Analyse menschenfeindlicher Einstellungen und Handlungen. Ganz offenbar wird das im Bild, das ihr von muslimischen Migrant*innen zeichnet. So etwa, wenn ihr schreibt:
„Wer härteres Eingreifen der deutschen Polizei gegen muslimische Migrant_innen fordert, rennt bei den deutsche Schergen wie bei der deutschen Gesellschaft und Politik nur rassistisch offene Tore ein.“
Wenn ihr uns, in der Sendung, aber auch bei Treffen hinterher, aufmerksam zugehört hättet, dann wäre euch aufgefallen, dass es uns lieber gewesen wäre, die radikale Linke und die bundesdeutsche Zivilgesellschaft wären in der Lage und Willens gewesen, sich antisemitischen Manifestationen entschlossen entgegenzustellen und diese Aufgabe wäre nicht allein der Polizei überlassen worden.

Und überhaupt: Wo ging es denn um muslimische Migrant*innen in ihrer Gesamtheit? Es ging, bei der Forderung nach der polizeilichen Durchsetzung zivilisatorischer Standards, doch um eine präzise bestimmbare Teilmenge der bundesdeutschen Gesellschaft: IslamistInnen, anti-imperialistische Linke, nicht in Kiel, aber in anderen Städten, auch einige Nazis mit Querfrontambitionen. Dass ihr daraus „muslimische Migrant_innen“ macht, offenbart ein merkwürdiges Verständnis, als seien die antisemitischen Schreihälse repräsentativ für muslimische Migrant*innen in Deutschland. Vielmehr offenbart es ein Bild deutscher Zustände, dass IslamistInnen, deutsche Linke und sogar Nazis in der Lage sind, gemeinsam auf die Straße zu gehen, wenn es denn gegen das gemeinsame Feindbild geht. Eben dieses Bild offenbart sich auch, wenn Parolen, wie „Hamas, Hamas – Juden ins Gas“ gerufen werden, nämlich, dass, wie ihr richtig schreibt, der deutsche Antisemitismus ein Exportschlager ist.

Vollends deutlich wird euer etwas paternalistischer Blickwinkel auf Muslime aber, wenn ihr probiert zwischen islamistisch motivierter Judenfeindschaft und Antisemitismus zu unterscheiden. Allen oben beschriebenen Verstrickungen mit deutschen Zuständen zum Trotz, probiert ihr islamistischen AntisemitInnen zu attestieren, sie seien ja sogar in ihrer Judenfeinschaft rückständig, noch nicht einmal richtige AntisemitInnen.
Das gleiche, wenn ihr islamistischen Antisemitismus als Reaktion auf koloniale Unterdrückungserfahrungen beschreibt: Darüber mag sich bei PalästinenerInnen noch zu streiten sein, aber wie erklärt ihr euch iranische Fahnen auf antisemitischen Demos? Warum sponsert Katar den Terror so fleißig? Eure Analyse der „islamischen Welt“ als Opfer des Kolonialismus ist in ihrer Pauschalität überhaupt nicht haltbar, vielmehr nutzen hier eigenständige, industrialisierte, zum Teil stinkreiche Regionalmächte Antisemitismus durchaus mit Kalkül als Mittel zur Durchsetzung ihrer machtpolitischen Interessen.

Wenn ihr euch am Begriff „rechtfertigen“ in der „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“ stoßt, dann überseht ihr, in eurer Angst, jemand wolle euch ein Regelwerk diktieren, ein weiteres wichtiges Funktionsprinzip der aktuellen Welle des Antisemitismus: In der mehrheitsdeutschen Gesellschaft gilt offener Antisemitismus als verpönt, was etwa 20 Prozent der deutschen nicht davon abhält, trotzdem antisemitische Einstellungen zu pflegen. Hier zeigt sich ein Funktionsprinzip des Abschiebens von Schuld an andere, minderprivilegierte, das dem sehr ähnelt, dass sich letztes Jahr in Berlin-Hellersdorf beobachten ließ: Während der deutsche Spießbürger und seine Frau Erna einen biederen Rassismus pflegen und mit Protestschreiben ans Amt und die Lokalzeitung gegen eine Flüchtlingsunterkunft kämpfen, lassen Bewohner der Hellersdorfer Plattenbauten den rechten Arm zum Himmel gereckt und pöbeln rum.
Während also mit dem Finger auf den Antisemitismus oder Rassismus der „Anderen“ gezeigt wird, finden sich Schreiberlinge in den Redaktionsstuben von Süddeutscher und anderen „Qualitätsblättern“, die nicht umhin kommen, ihr Verständnis zu äußern, die Vorfälle zu bagatellisieren und sozialpädagogisch verstehen zu wollen. Die Mehrheitsgesellschaft lässt die „Anderen“ das Aussprechen, was allzuviele Deutsche selbst gerne sagen würden und findet darin gleichzeitig einen Grund, sich eben jenen moralisch überlegen zu füllen.Ihr spracht von dialektischer Analyse: Hier habt ihr sie! Die Aufhebung dieses Widerspruchs ist es also, den gut-bürgerlichen Schreibtischantisemiten und Rassisten ebenfalls auf die Tippfinger zu klopfen, wenn sie mit letzter Tinte ihren Scheiß in die Welt rotzen.

Keine Antwort kann es hingegen sein, sich an der Bagatellisierung von Antisemitismus zu beteiligen, nur weil man ihn – fälschlich – in einem sozial unterprivilegierten Milieu verortet. Ihr sprecht davon, auf Communities zuzugehen und sich auf Gemeinsamkeiten zu verständigen. Nun verbirgt sich hinter dem englischen Begriff der Community nur notdürftig getarnt ein Begriff, der deutlich eher der Gemeinschaft, als der Gesellschaft entspricht. Unser Ansatz wäre eher Solidarität mit denjenigen, die die probieren dem gemeinschaftlichen Horror zu entkommen, aber falsch ist euer Ansatz der Verständigung dennoch nicht. Deswegen würden wir euch gerne anbieten, mit uns eine gemeinsame Soliparty in Kiel zu machen, für das Kirchenasyl eines muslimischen Flüchtlings in der jüdischen Gemeinde in Pinneberg werden nämlich immernoch Spendengelder gesucht. Na, wie wärs?

Wir dokumentieren eine ausführliche Reaktion auf unsere letzte Sendung

Folgender Text stammt nicht von uns und gibt nicht die Meinung der Redaktion wieder. Dennoch wird er Thema der heutigen Sendung sein, weshalb wir ihn im Folgenden dokumentieren:

Wer im Walde stehen bleibt, sieht manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht
oder
Schreit ruhig weiter Baum und Pilz an, wenn Ihr reden wollt – ihr findet uns unter den Menschen

Eine Antwort auf die Radiosendung „Das Schweigen im Walde, also schallen wir heraus!“, die „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“ und dazugehörige Texte

Dieses Statement unserer Gruppe soll erläutern, weshalb wir der Aufforderung des „Koordinationskreis gegen Antisemitismus“, eine „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“ zu unterzeichnen bewusst nicht nachgekommen sind und auch in den politischen Strukturen, in denen wir mitarbeiten, dafür geworben haben, dies nicht zu tun. Eines vorweg zur Verortung unseres nachfolgenden Diskussionsstandes: Anders als dieser Tage viele andere, halten wir uns nicht für ExpertInnen für den Nahostkonflikt. Im Gegenteil mussten wir in den letzten Wochen nicht nur einmal erschreckt feststellen, dass wir jenseits der deutschen Debattenfloskeln weder über eine gute Kenntnis der Materie, noch über eine ausgereifte Position dazu verfügen. Insofern ist dies auch nicht als besonders tiefgründige Analyse des Nahostkonflikts zu lesen, vielmehr geht es um eine Einschätzung der judenfeindlichen und antisemitischen Vorfälle, die den Anlass für die Initiative der „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“ gaben und um eine Positionierung unserer Gruppe innerhalb des Kieler Ablegers der mal wieder neu entfachten Antisemitismus-Debatte unter deutschen Linken. Uns war es wichtiger, zeitnah eine solche Begründung vorzulegen, als eine in allen Punkten stichhaltige Position. Wer uns Stricke daraus drehen will, wird wahrscheinlich genügend Anlass finden. Viel Spaß dabei. Wer mit uns in ernsthafte Diskussion treten will, wird vielleicht ebenso viele kontroverse Punkte finden und kann sich dann gern bei uns melden. Ebenfalls anders als dieser Tage viele andere, haben wir keine betonierte Position zu dem behandelten Themenkomplex und sind demnach offen dafür, schlauer zu werden. Warum wir so lange für diese Reaktion gebraucht haben mag mache_r fragen? Nun zunächst hat es, in Anbetracht, dass der diesem Text zu Grunde liegende Konflikt erst wenige Wochen alt ist, gar nicht so lang gedauert. Wir haben für ähnliche Projekte schon deutlich mehr Zeit gebraucht und würden uns wünschen, wenn auch andere sich manchmal mehr Zeit nähmen, um sich in die politische Auseinandersetzung zu begeben. Zum anderen stimmt es: Wir waren nicht in der Lage, umgehend auf die thematisierten Ereignisse zu reagieren. Ratlosigkeit und Schockstarre über ein in dieser Form noch nicht gekanntes Phänomen einerseits, über leider allzu bekannte falsche Reaktionen auch einiger unserer durchaus engeren Genoss_innen anderseits, daraus folgende politische Depressionen, die obligatorische Dauerüberlastung unserer Kapazitäten und so etwas wie Sommerloch mögen die Gründe gewesen sein. Deshalb an dieser Stelle genug der leeren Worte und ab ins Handgemenge.

Unsere Kritik an der „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“ entwickelt sich nicht an ihrem Wortlaut, ist sie doch erst einmal sehr allgemein gehalten und eigentlich zu vielen Seiten hin anschlussfähig, sondern anhand dessen, was sie verschweigt. Denn um jemanden aus der Radiosendung der LPG(A)Löwenzahn vom Juli 2014 zu zitieren, auf die sich diese Stellungnahme u.a. bezieht: „…wenn jemand nichts sagt, das ist ja auch schon ziemlich viel, wenn man offensichtlich meint, dass man darüber nicht öffentlich reden will“.

Dass die deutsche Nation nicht nur auf Antisemitismus aufgebaut wurde – d.h. auf der in ihrer Konsequenz mörderischen Erklärung sämtlicher sozialer Krisen und Verunsicherungen als das Werk von Juden und Jüdinnen – sondern seit jeher auch in ein koloniales Machtgefüge eingebunden ist, dass ihr die – rassistisch legitimierte – Erbeutung relativen Wohlstands und damit sozialen Friedens auf Kosten unterworfener Teile der Welt ermöglichte, muss an dieser Stelle hoffentlich nicht weitergehend ausgeführt werden. Es ist daher die Verantwortung einer Linken deutsch-europäischer Herkunft, sowohl Antisemitismus, als auch Rassismus zu reflektieren und zu bekämpfen. Zu reflektieren! Weil das einfache Lippenbekenntnis, das reine sich auf die gute Seite schlagen, nicht reicht. Wir müssen analysieren, versuchen zu erkennen, um an struktureller Veränderung arbeiten zu können. Und ganz im Sinne der Aufklärung, die den Materialismus der Gesinnung und das dialektische Denken dem Dualismus von Gut und Böse vorzuziehen weiß, kann und darf ein Herrschaftsinstrument/eine Unterdrückungsform nicht zu Gunsten einer anderen ausgeblendet und negiert werden.

Dass wir als Linke deutscher Herkunft in besonderer Verpflichtung stehen, Antisemitismus zu bekämpfen, ist für uns unumstritten und dass uns als erste Reaktion ein Schock durch die Glieder fährt, wenn auf Demonstrationen offene Judenfeindschaft zu Tage tritt und antisemitischen Stereotypen freien Lauf gelassen wird, wenn „Tod den Juden“ gefordert und die Vernichtung Israels propagiert wird, ist verständlich. Ebenso sollte uns aber auch ein Schrecken durch die Glieder fahren, wenn Teile der deutschen Linken anfangen gegen muslimische Migrant_innen zu hetzten, wenn zivile Tote im Gaza- Streifen als Kollateralschäden verhöhnt werden und wenn diese im Namen der Emanzipation in eine Kriegsbegeisterung gegen eine ganze, als antisemitische Feinde Israels ausgemachte Bevölkerung verfallen.

Die „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“, zu dessen Unterzeichnung wir und andere aufgefordert worden sind, verschweigt ein wesentliches Detail, das zu benennen notwendig ist, um die ihr zu Grunde liegenden Vorkommnisse zu prüfen und anzugehen. Sie verschweigt eine Reaktion von Teilen der deutschen Linken, die der Ausgangskonstellation der erneuten Eskalation in Israel und Palästina und seinen Stellvertretungen auch vor unserer Haustür nicht gerecht wird.

Bei den offen judenfeindlich auftretenden Demonstrant_innen, die einen durchaus relevanten Anteil an den anhaltenden Protesten gegen den Krieg in Gaza haben (etwa die am 17.7.2014 in Berlin), handelt es sich nicht um einen deutschen Mob, der auf Grundlage eines antisemitischen Weltbildes gegen Juden und Jüdinnen zu Felde zieht, sondern größtenteils um (nicht selten seit ihrer Geburt in Deutschland lebende) Leute, deren (familiäre) Migrationsgeschichte im mittleren oder nahen Osten begann. Das mag vielleicht als ein kleines Detail erscheinen, hat aber eine große Tragweite.

Um auch das klargestellt zu haben: Wir sehen in der Staatsausrufung Israels 1948 einen notwendigen und selbstbestimmten Akt zionistischer Juden und Jüdinnen um sich gegen die jahrhundertelange Ausgrenzung und Gewalt insbesondere in Mitteleuropa zur Wehr zu setzen und letztlich als Konsequenz aus der Shoa. Der Zionismus ist der zunächst einmal legitime Befreiungsnationalismus des Judentums mit all den positiven wie negativen Facetten, die mit dem Konzept des Befreiungsnationalismus einhergehen. Wir sind demnach keine Antizionist_innen. Das zu erwähnen ist keine „linke Staatsraison“ und kein Lippenbekenntnis, sondern Teil unserer antifaschistischen Überzeugung und historischen Verantwortung als Linke deutscher Herkunft. Dies ist aber nur die eine Seite des Nahostkonflikts, die wir zu berücksichtigen haben, wenn wir uns zu den aktuellen judenfeindlichen Geschehnissen auf deutschen Straßen verhalten wollen. Um den Zionismus zu seinem Ziel zu führen, die Gründung eines jüdischen Staates, war es nötig, dass sein Staatsgebiet, anders als bei anderen Befreiungsnationalismen, erst noch erschlossen und besiedelt werden musste. Der Zionismus kann insofern als befreiungskolonialistisches Projekt bezeichnet werden, der Staat Israel begann als jüdische Siedlungskolonie in Palästina, deren Staatwerdung ab 1918 während der britischen Mandatsherrschaft erklärtermaßen unterstützt wurde. Die Probleme, die sich aus diesem kolonialistischen Charakter nahezu zwangsläufig ergeben, war den frühen Zionist_innen sehr wohl bewusst und führte zu der Selbstverpflichtung, die Gleichberechtigung der bereits ansässigen arabischen Bevölkerung zu achten und den Interessenausgleich zu suchen. Dieser ist aus verschiedenen Gründen, die historisch nicht nur einseitig zu suchen sind, bis heute ganz offensichtlich gescheitert. Der Zionismus an sich ist nichtsdestotrotz kein imperialistisches Projekt, sein Ziel war nie die ökonomische Unterwerfung und Ausplünderung des arabischen Raums, sondern eine nationalstaatlich abgesicherte Existenz von Juden und Jüdinnen. Er reihte sich jedoch, da die Vorbereitung Israels im Rahmen der Aufteilung des arabischen Raums durch die Siegermächte des Ersten Weltkriegs begann, bei den westlichen Hegemonialmächten ein und trat damit auch das koloniale Erbe insbesondere der Briten an. Israel wurde auf diesem Weg AUCH für die (neo-)kolonialistischen und geopolitischen Interessen des Westens nutzbar gemacht, genauso wie es verlässlicher Stützpunkt des Westens zunächst im kalten Krieg, heute im arabischen Raum ist. Das delegitimiert die Idee des Zionismus und die Existenz Israels nicht – Antisemitismus und seine sozio-ökonomischen Grundlagen konnten weltweit weiterhin nicht überwunden werden – machte und macht den jüdischen Staat aber nahezu zwangsläufig zu einem Akteur in einer von krasser Ungleichheit der Machtmittel gekennzeichneten Auseinandersetzung um (neo)-kolonialistische Herrschaft des Globalen Nordens über den Süden und damit zum stellvertretenden Ziel ebenso legitimer anti-kolonialistischer Kritik. Die Vehemenz mit der dies oftmals geschieht, kann von uns aus gern als irrational benannt werden. Grundsätzlich ist es aber selbstredend das Recht der Palästinenser_innen, sich gegen kolonialistische Unterdrückung zur Wehr zu setzten. Diese Feststellung impliziert noch keine „für“ oder „gegen“ Positionierung, sie ist erst einmal ein Fakt.

Der deutsche Antisemitismus, auf dessen Grundlage ein Großteil der Misere in Nahost entstand und dessen komplexe und mörderische Auswirkung bis heute seine blutige Spur zieht, muss anders betrachtet werden, als die Judenfeindschaft unter den Palästinenser_innen und ihren Unterstützer_innen, die einen legitimen anti-kolonialen Kampf um gleiche Rechte besetzt und derzeit verstärkt in reaktionäre Bahnen lenkt. Das macht die ganze Scheiße nicht zu einer ungefährlicheren Judenfeindschaft, dass diese sehr wohl anschlussfähig für antisemitische Stereotypen ist und in geschlossene antisemitische Weltbilder abgleiten kann, zeigen entsprechende massiv auftretende Äußerungen und Inhalte rund um die Proteste gegen die israelischen Angriffe auf Gaza. Aber zu erkennen, aus welchen Lebensbedingungen und Machtverhältnissen sie sich entwickelt hat, ist notwendig um zu erkennen, wie ihr beizukommen ist. Gerade aus unserer deutschen Geschichte heraus ist eine Gleichsetzung einer pro-Palästina/Anti-Kriegs-Demonstration, die in Teilen oder zum Teil mehrheitlich judenfeindlich bis antisemitisch agieren, mit einen Nazi-Aufmarsch oder mit einem deutschen antisemitischen Mob nicht nur unzulässig, sondern schlichtweg falsch. Wenn von Palästinenser_innen oder ihren Unterstützer_innen, die sich aus einer eigenen rassistischen/kolonialistischen Unterdrückungserfahrung heraus auf deren Kampf beziehen, in einer Kriegssituation die an die christlich-antijudaistische Ritualmordlegende anknüpfende Parole „Kindermörder Israel“ gerufen wird, hat dies definitiv einen anderen Kontext, als wenn ein_e Mehrheits-Deutsche_r meint dies rufen zu müssen. Wie schnell sich dumme Parolen auf einem Massenevent wie Demonstrationen durchsetzen, weiß jede_r, der_die schonmal an einer durchschnittlichen Antifa-Demo teilgenommen hat. Folglich muss auch die Praxis antifaschistischer Intervention gegen Judenfeindschaft und Antisemitismus in der hiesigen pro-palästinensischen Bewegung eine andere sein, als bei antisemitischen Nazi-Aufmärschen. Wer implizit das militante Angreifen oder andere konfrontative Aktionen bei einer von judenfeindlichen/antisemitischen Inhalten geprägten pro-Palästina-Demonstration durch Linke deutscher Herkunft fordert, weil dies Praxis bei Naziaufmärschen ist, begibt sich nicht nur auf rassistisches Glatteis, sondern ist geradewegs durchgebrochen. Darüber täuscht auch nicht hinweg, wenn in der oben genannten Radiosendung versucht wird, sich durch „anti-patriarchale“ Floskeln an die ansonsten so geschmähte radikale Linke anzubiedern. Das inflationäre Kritisieren „der patriarchalen migrantischen jungen Männer“ bläst nur einmal mehr in das selbe rassistische Horn wie die Bundesregierung, die ja auch ganz selbstlos die Frauenbefreiung in Afghanistan voranbomben wollte. Es ist immer leichter das Patriarchat „der anderen“ zu kritisieren, hier vor Ort bleibt Mann im Studio dann aber doch lieber unter sich.

Wer härteres Eingreifen der deutschen Polizei gegen muslimische Migrant_innen fordert, rennt bei den deutsche Schergen wie bei der deutschen Gesellschaft und Politik nur rassistisch offene Tore ein. Die anti-arabische bzw. anti-muslimische Hetze in Deutschland wächst derzeit mal wieder parallel mit der ritualisierten Versicherung der etablierten Politik, dass man Antisemitismus in Deutschland keine Plattform gebe. Das Letzte ist in Deutschland nach wie vor eine Lüge und wird benutzt um ersteres, nämlich den seit dem 11. September erstarkten Rassismus gegenüber arabischen Migrant_innen weiter zu schüren.

Durch das Schweigen zu den sozialen Hintergründen derjenigen, die derzeit mehrheitlich für die Welle judenfeindlicher Äußerungen und Übergriffe verantwortlich sind, das Schweigen zu dem rassistischen Klima, welches gerade sowohl in der Linken wie auch in der bürgerlichen Presse herrscht und dem Schweigen zur kriegerischen Eskalation im nahen Osten, in dessen Rahmen all dies stattfindet, befindet sich die „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“, die sich nicht einmal bequemt solcherlei Widersprüche auch nur anzudeuten, mitten im rechten Mainstream. Irgendwo zwischen PI-News, Kristina Schröders „Expertise“ über Extremismus, BILD und den Grünen, die mit der propagandistischen Begründung des deutschen Eintritts in den Jugoslawienkrieg 1999 nicht trotz, sondern wegen Auschwitz in der Lage waren, die Linke in Deutschland in den bürgerlich-moralistischen Würgegriff zu nehmen: Erst gegen den „zweiten Hitler“ Milošević, dann gegen den „neuen Hitler“ Saddam Hussein und folgend gegen die Massen an „islamischen Hitlers“.

Wenn uns als deutsche Linke also irgendeine Aufgabe zufällt, dann ist es sowohl auf den Antisemitismus in Deutschland, als auch auf die rassistischen und anti-muslimischen Zustände hier aufmerksam zu machen und sie zu bekämpfen, und nicht zu versuchen sie weiter einzuheizen. Eine weitere Perspektive wäre es, Kontakt zu beiden Communities zu suchen und zu versuchen einen gemeinsamen Ausdruck gegen Antisemitismus, Rassismus/Kolonialismus und Krieg zu finden. Die Forderung deutscher Linker an deutsche Linke, sich für eine Seite zu entscheiden, ist angesichts der deutschen Verwicklung in den Kolonialismus und des deutschen Exportgutes Antisemitismus falsch und auch unsinnig.

Man kann und muss die historische Notwendig Israels aus der deutschen Geschichte heraus erklären und verteidigen. Und in der derzeitigen Situation bleibt die Existenz Israels unabdingbar: Wir machen uns keine Illusionen darüber, dass, würde es sich jetzt entwaffnen, Israel blutig überrannt würde. Wir müssen uns aber auch die Arroganz und die Sinnlosigkeit vor Augen führen, hier als deutsche Linke fernab vom Geschehen über eine Lösung in Nahost zu labern. Egal ob wir, wofür unsere reaktionär abgedrifteten Genossen gerade einstehen, wahlweise für den Erhalt des Status Quo oder aber für die Beseitigung Israels agitieren, von einem nicht-kapitalistischen und nicht-rassistischen Staat Israel träumen, von einem vereinten sozialistischen säkularen Palästina, einem Organisationsmodell jenseits von Staat und Nation oder von einer Zwei-Staaten-Lösung: Alles bleibt reine Fiktion. Wir sollten als radikale Linke auf eine unmittelbare Perspektive bauen, die auf unseren Grundsätzen fußt und deren revolutionären Standpunkt aufrecht erhält. Dementsprechend kann unsere Solidarität derzeit nur den im Kriegsrausch zunehmend marginalisierten, kämpfenden emanzipatorischen Kräften in Israel und Palästina gelten, die einen wirkliches Interesse an Frieden in Nahost vertreten. Und dieser ist ohne eine politische Lösung des sozialen Konflikts zwischen dem palästinensischem Befreiungskampf gegen Kolonialismus und dem zionistischen Projekt zur Selbstverteidigung der Juden und Jüdinnen vor Verfolgung und Vernichtung nicht zu haben. In diesem Konflikt sitzt der Staat Israel machtpolitisch (noch) am längeren Hebel und trägt eine entsprechende Verantwortung. Diese wahrzunehmen, ist eine legitime Forderung des palästinensischen Kampfes. Wer eine militärische „Lösung“ des Konflikts fordert, wie es derzeit wieder einmal Teile der deutschen Linken unter lautem Kriegsgeschrei tun, propagiert seine unendliche Eskalation, die nur mit der Auslöschung einer der Kriegsparteien enden kann. Eine politische Lösung ist bitter nötig, auch um zu verhindern, dass Israel tatsächlich eines Tages als stellvertretendes und verkürztes Feindbild eines fundamentalistisch und judenfeindlich gewendeten Kampfes der arabischen Welt gegen (neo)-kolonialistische Unterdrückung überrannt wird. Dessen katastrophale Folgen wollen wir uns nicht ausmalen. Genauso, wie wir uns weigern, trotz aller Aussichtslosigkeit nicht über den katastrophalen Status Quo hinauszudenken.

Worauf zielt die „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“ also ab, wenn sie den Kontext der aktuellen Welle anti-israelischer, judenfeindlicher und antisemitischer Vorfälle verschweigt und an wen ist sie überhaupt adressiert? Ihr Schlusssatz „Wer sich an antisemitischen Demonstrationen beteiligt oder diese rechtfertigt (Hervorhebung von uns) oder wer zum Boykott Israels aufruft, ist kein Bündnispartner für emanzipatorische Politik, sondern vertritt Standpunkte, die wir bekämpfen.“ lässt tief blicken. Wie dargelegt kann die Erklärung nicht einfach an ihrem Wortlaut bewertet werden, sondern muss in den Kontext der derzeit in der (mal wieder) heftig geführten Debatten gesehen werden, in der „rechtfertigen“ mittlerweile zu einem bis zur Unkenntlichkeit zerstückelter und dehnbarer Begriff geworden ist, so dass er als politischer nur noch auf einer Metaebene eine Relevanz besitzt. Das Aufmerksam machen darauf, dass durchaus Unterschiede zwischen Naziaufmärschen und pro-Palästina-Demonstrationen mit judenfeindlichen Tendenzen bestehen, mag da für einige schon reichen, um eine Rechtfertigung von Antisemitismus zu erkennen. Dass der Kontext Antisemitismus-Debatte unter deutschen Linken sehr deutlich gegeben ist, dass es sich bei der „Kieler Erklärung gegen Antisemitismus“ eben nicht nur um „eine Zusammenfassung von Basisbanalitäten ernsthafter antifaschistischer Arbeit“ handelt, verdeutlichen auch zwei Nachträge aus dem Umfeld der Initiator_innen, die zwar nicht primär ausschlaggebend waren, warum wir die Erklärung nicht unterschrieben haben, aber dennoch nicht unwichtig zu benennen sind: Wer das Nicht-Unterschreiben der Erklärung mit der Weigerung gegen Antisemitismus vorzugehen gleichsetzt, wie sich aus den Texten „Gegen Kieler Unzumutbarkeiten…“ und „Denk doch mal jemand bitte an die Kinder!“ unschwer herauszulesen ist, stellt diese Behauptung entweder aus taktischem Kalkül – d.h. um ein System von Regeln zu setzen, aus denen dann Zirkelschlüsse gezogen werden können – oder aber aus Größenwahn auf, weil man sich tatsächlich als die Speerspitze gegen den Antisemitismus sieht. Für letzteres ist das Schwenken von Israel-Fahnen und eine Erklärung an die Szene dann aber doch ein bisschen wenig und nicht wirklich angebracht um ein judenfeindliches bis antisemitisches Klima zu ändern. Wir unterstellen, dass mit dieser Erklärung ganz andere Zwecke verfolgt werden vor deren Karren wir uns nicht als Zugvieh spannen lassen wollen, da noch nicht einmal das ernsthafte Interesse besteht, sich auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Wer sein Urteil schon gefällt hat und sich des Antisemitismus eines vermeintlichen Kollektivs der Bewegungslinken bereits sicher ist, nur noch die genaue Lokalisierung der Trennlinie zu Euch ausloten will und alle Widersprüche ausblendet mit denen eine Linke konfrontiert ist, die in diesem Scheißhaufen zu schwimmen, zu kämpfen, zu negieren und Veränderung zu bewirken versucht, ohne eine Tür zur Auseinandersetzung offenzuhalten, dem geht es in erster Linie um Nabelschau und Selbstbefriedigung. Und das ist dann wirklich, um diesen Absatz mit einem weiteren Zitat zu schließen, „verdammt deutsch“.

Was also ist unser Vorschlag, wie eine Linke deutscher Herkunft mit anti-jüdischen und antisemitischen Positionen auf migrantisch geprägten pro-palästinensischen Demonstrationen umgehen sollte? Einfacher ist zu beantworten, wie sie es nicht zu tun hat. U.a. in der genannten Radiosendung der LPG(A)Löwenzahn wird eine Lesart des Angriffs auf die Israel-Fahne am Rande einer spontanen pro-Palästina-Demonstration in Kiel verbreitet, die in etwa so zusammen gefasst werden kann: 350 Antisemiten demonstrieren judenhassend durch Kiel und verprügeln dabei mit einer Gruppe von 60 Personen einen Antifaschisten. Wir meinen, dass diese Lesart höchstens als eine unter vielen zulässig ist, auf jeden Fall nicht in der Lage ist, den Vorfall angemessen zu beschreiben. Das Hissen einer Israels-Fahne kann, genauso wie ein Angriff auf sie, aufgrund der skizzierten je nach Perspektive vielschichtigen Bedeutung des Staates Israel, aus einer Vielzahl an Motivationen erfolgen: Eine Israel-Fahne mag als Symbol gegen Antisemitismus verwandt werden, sie kann als Ausdruck des Judentums verwendet werden, sie kann als Demonstration für das Existenzrecht des jüdischen Staates benutzt werden, sie kann die Unterstützung einer Fußballmannschaft ausdrücken, sie kann – insbesondere von identitätsbedürftigen deutschen Antifas bekannt – zu szeneinternen Provokationszwecken bzw. als Mode-Accessoire missbraucht werden oder aber sie kann, insbesondere wenn unter dieser Fahne zeitgleich ein massiver Krieg geführt wird, als Symbol für kolonialistische Herrschaft und ihre kriegerische Durchsetzung gewertet werden. Selbst wenn wir dem betroffenen Fahnenträger großzügig die edle Absicht unterstellen, der pro-palästinensischen Demo gegen den Krieg in Gaza die Israel-Fahne entgegen gehalten zu haben, um gegen dort vertretene judenfeindliche und antisemitische Positionen zu intervenieren, so müssen wir die Aktion als schlichtweg verantwortungslos kritisieren. Gerade in Kriegszeiten müssen wir einem_r Palästinenser_in und ihren Freund_innen keinen Antisemitismus unterstellen, um uns zu erklären, weshalb er_sie sich von der Fahne provoziert fühlt und dementsprechend reagiert. Das Zeigen der Israel-Fahne in dieser Situation kann aus dieser Perspektive nur als Gegendemo, d.h. als Parteinahme für die israelischen Angriffe auf Gaza gewertet werden. Und an dieser Stelle ist der Punkt erreicht, an dem wir uns politisch nicht mehr solidarisch mit der Aktion erklären können. Das heißt nicht, dass wir das Zeigen einer Israel-Fahne in anderen Situationen nicht auch anders bewerten würden. Eine Praxis gegen Judenfeindlichkeit und Antisemitismus in der pro-Palästina-Bewegung vorzugehen, kann allerdings keineswegs darin bestehen, sich mit der Fahne ihres ärgsten Kontrahenten am Rande ihrer Kundgebungen zu postieren und sich anschließend darüber zu beklagen, das dies nicht auf Sympathie gestoßen ist. Es mag auch den Zustand der deutschen Antifa-Bewegung treffend charakterisieren, wenn vielerorts als einzige (inhaltliche) Antwort auf (unorganisierte) reaktionäre Tendenzen nur noch ein „Halt’s Maul!“, „Auf die Fresse!“ oder „Bomben drauf!“ erfolgt und ihre sozialen Grundlagen nicht mehr erkannt werden (wollen). Dies mag bei gesellschaftlich relativ irrelevanten NS-Nostalgievereinen noch einigermaßen funktionieren, hat uns aber schon im Umgang mit einer zeitgemäßeren Spielart eines politischen Projekt mit faschistischen Zügen wie der AfD vor erhebliche Probleme gestellt.

Eine Praxis gegen Judenfeindlichkeit und Antisemitismus in der pro-Palästina-Bewegung vorzugehen kommt u.E. nicht umhin, ihr Kernanliegen: ein gleichberechtigtes würdevolles Leben der arabischen Bevölkerung in Palästina/Israel, ernstzunehmen und ihm eine Legitimation zuzusprechen. Wer nur ein „Findet Euch mit dem Status Quo ab, ihr scheiß Antisemiten!“ anzubieten hat, wird mit seiner berechtigten Kritik an den antisemitischen Tendenzen niemals Gehör finden, sondern die dahinter stehende Wut über einen jahrzehntelang ungelösten sozialen Konflikt nur noch verstärken. Wir halten die Ansätze, wie sie Genoss_innen bisher am fruchtbarsten in Berlin (24.7.2014) und Frankfurt (24.7.2014) ausprobiert haben, (gemeinsam mit migrantischen Linken) für eine politische Lösung des Israel-Palästina Konflikts und gegen den Krieg zu demonstrieren und dabei judenfeindliche und antisemitische Positionen und reaktionäre Organisationen konsequent und auch praktisch auszuschließen, für die richtige Stoßrichtung, um sich dem Problem angemessen zu nähern. Dass heißt in Konsequenz dann aber eben auch in Situationen zu gelangen, in denen man sich tatsächlich mit Leuten und Positionen auseinandersetzen muss, die man politisch grundlegend ablehnt. Auch wenn dies bisher nur auf Papier geschrieben steht, behalten wir uns grundsätzlich vor, dies auch zu tun. Unabhängig davon werden wir uns auch weiterhin wann immer dies nötig ist daran beteiligen, jüdisches Leben und jüdische Einrichtungen insbesondere in Deutschland zu schützen, wann immer diese angegriffen werden, weil sie jüdisch sind. Was das angeht verweilen auch wir an der Oberfläche und sparen uns die Rücksicht auf die konkreten Hintergründe der Urheber_innen.

Wir erwarten nicht wirklich, dass wir denjenigen, die die reine Lehre der Politik vorziehen und sich zur Analyse des Israel-Palästina Konflikts ausschließlich der israelischen Kriegspropaganda bedienen, mit einem solchen Ansatz tatsächlich weitergeholfen haben. Alle anderen laden wir dazu ein, diese Überlegungen weiterzuführen oder es besser zu machen.

Subvertere Kiel, 12.8.2014

Gruppe Subvertere (Kiel)

„Denk doch mal jemand bitte an die Kinder!“ – Kommentar zur letzten LPG(A) Löwenzahn

Bei freie-radios.net findet sich jetzt ein Beitrag zu einer Debatte um die letzte Sendung der LPG(A) Löwenzahn:
„Denk doch mal jemand bitte an die Kinder!“

Mit diesen Worten fällt die Frau des Pastors von Springfield jeder rationalen Debatte ins Wort. Kinder sind die besten Opfer, sie sind unschuldig, unpolitisch und daher der beste Narrativ, um als moralisches Kanonenfutter zu fungieren. Die Kinder werden zum funktionalem Neutrum, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt sich moralisch über den gegnerischen Diskutanten zu erheben. Die gegenseitige Aufrechnung von Opfern, allerlei historische Vergleiche, sowie Appelle an die Menschlichkeit und Frieden wurden vorher schon ins Feld geführt, hatten aber keine rhetorische Durchschlagskraft. Auch in diesem Gazakrieg wurde schon alles versucht um auf dem Schlachtfeld der Propaganda zu die Oberhand zu behalten.
Auch die Sendung der LPG(A) Löwenzahn vom Juli 2014 war ein Debattenbeitrag, zu einer Debatte über Antisemitismus. Im Nachhinein jedenfalls hat die Sendung eine Sprengkraft entwickelt die erwartbar und doch heftig war. Denn Sie scheint für viele das Schweigen gebrochen zu haben, das Schweigen in einem Konflikt, der, immer da wo er angesprochen wird, die Lager spaltet. Zwar ist tatsächlich auch hier der Nahostkonflikt Teil der Sendung und doch wird eine völlig andere Dimension stark gemacht, die geflissentlich klein geredet wird: Die Gretchen-Frage ist nicht: „Wie hält du es mit Israel?“, sondern: „Wie hältst du es mit dem Antisemitismus?“. Ausgangspunkt der Löwenzahnsendung sind massive antisemitische Übergriffe, so geschehen bspw. in Kiel, Hamburg und Bremen. In Bremen wurde ein Mensch im Verlauf einer antisemitischen Manifestation lebensgefährlich verletzt. Die radikale Linke schweigt zu diesen Übergriffen: Keine spontanen Demonstrationen, keine linke Folklore mit Hasskappen und Böllern. Nichts. Erst die Berichterstattung der Koordination gegen Antisemitismus und der Redaktion Löwenzahn im FSK führen überhaupt zu Reaktionen in Kiel. Überraschenderweise reagiert die Linke aber genau so, wie das Objekt ihrer Kritik: Die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft. Genau wie die bürgerliche Gesellschaft reagiert die Linke reflexhaft abwehrend, leugnend, verharmlosend. Die Linke, wie die bürgerliche Gesellschaft, machen die KritikerInnen und die Opfer zum Ziel ihrer Wut über das Stören der hegemonialen Gemeinschaft. Insbesondere in Bezug auf Juden fällt die Reaktion meinst wahnhaft aus.
Ähnliches zeigt sich bei den Reaktionen auf die Löwenzahnsendung. Die massiven Anfeindungen und Kritiken verwehren sich, den Nahostkonflikt einseitig zu sehen, sie meinen sogar nicht mehr eigenständig denken und analysieren zu können, was im Nahostkonflikt passiert, weil die Kritik in unserer Sendung zu drängend gewesen sei. Wohlwollend wird hinzugefügt, man stünde eigentlich auf der gleichen Seite, möchte sich aber fragend dem Nahostkonflikt erst einmal nähern. Allesamt wichtige Einwände und doch so fern der Inhalte der letzten LPG(A) Löwenzahn. Denn zentraler, nicht einziger, Punkt war die Frage warum es ein Verhalten des Abwartens, Ingnorierens oder auch Gutheißens von europaweiten antisemitischen Demonstration gibt. Warum eine Linke stillhalten kann, während Synagogen angegriffen werden, Juden und Jüdinnen auf offener Straße angegriffen werden, jüdische Symbole verbrannt werden und stumpfester Antisemitismus in allen Formen durch die Straßen hallt. Um sich diesem Antisemitismus offen entgegen zu stellen, dafür bedarf es keinerlei Wissen um den Nahostkonflikt. Es gibt keinerlei legitime Argumention, die Juden und JüdInnen dieser Welt in Kollektivhaftung zu nehmen für Israel, es sein denn man ist Antisemit.
Wie erniedrigend es sein muss, wenn jede Shabbat-Feier, jede jüdische Einrichtung und jedes jüdische Fußballspiel nur unter Polizeischutz stattfinden kann. Der Linken ist es egal: Nach 500 Jahren Antisemitismus und über 60 Jahren Israel möchte man sich ja dem Nahostkonflikt ersteinmal fragend nähern. Die Ausreden sind vielfältig, lieber nimmt man abgebrannte Synagogen und geschlagene und gedemütigte Jüdinnen und Juden hin, als sich in Zeiten des heißen Nahostkonfliktes gegen Antisemitismus zu positionieren.

Die Sprachlosigkeit der Linken ist kein Ergebnis einer Überforderung, sie ist konsequente Politik. Israel ist seit seinem entstehen fester Eskalationspunkt in der Linken der BRD und ganz konkret auch in Schleswig-Holstein. Bereits im vergangenen Jahr wurde die Frage antisemitischer Israelkritik in den Mittelpunkt einer Veranstaltungsreihe an der Kieler Uni gesetzt. Die Veranstaltungen waren voll, aber die radikale Linke war mehrheitlich nicht vor Ort, man wollte sich wohl raushalten. Dabei waren diese Foren ein Angebot, um Anhand von fundierten Inputs sich dem Thema zu nähern und in die Debatte zu gehen.
Die Linke geht lieber ihren Weg und dies ist der Weg der repressiven Vergemeinschaftung. Statt einzufordern mit auf Sendung zu gehen und die Inhalte zu diskutieren, statt fundierte Kritiken zu schreiben, fordert die Linkeein unkritisches „Weiter so, wie bisher“ ein. Die soziale Ebene der Szenegemeinschaft wird dem politischen Aushandeln vorgezogen.
Die Linke bangt um ihre inneren Hierarchien und ihren Zusammenhalt und bekämpft daher die Abweichung auf schärfste. Weshalb Jüdinnen und Juden wohl auf die eigene antifaschistische Selbsthilfe angewiesen sind, die Linke wird ihnen wohl nicht beistehen. Diese Bitterkeit des kollektiven Raushaltens, Wegschauens oder Mitmachens in Bezug auf Antisemitismus macht Israel umso notwendiger.

Das Schweigen im Walde, also schallen wir heraus!

Gespräch mit einer Person aus Koordinationskreis gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein und Linkspartei über eine ausgefallene Veranstaltung von Flüchtlingsrat und RosaLuxemburg-Stiftung. Reflektionen über das Verhältnis der deutschen Linken zu Israel.

Ein Kieler Antifaschist schildert die antisemitischen Demonstrationen gegen Israel und den gewalttätigen Übergriff auf einen Antifaschisten.

Wir diskutieren die Frage, warum die (radikale) Linke in Kiel sich zum Antisemitismus entweder nicht oder dezidiert antisemitisch verhält.

Freies Radio NMS zu Gast beim FSK

Die Freie Radioinitiative Neumünster war heute Nachmittag erstmals zu Gast beim Freien Sender Kombinat in Hamburg und gestaltete das „Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen“ mit folgenden Themen:
1) Menschenrechtsbeobachtung in Chiapas – Interview mit einem Neumünsteraner Aktivisten der für die Organisation CAREA in Mexiko war
2) Gefahrengebiet Neumünster – Bericht zu den „Gefahrengebieten“ und Interview mit Dr. Christof Ostheimer, der die Erlebnisse einer Polizeikontrolle schildert, außerdem geht es um den Geschichtsrevisionismus der Neumünsteraner AfD


Weitere Links zu den Gefahrengebieten:
Plenarprotokoll des Landtag SH vom 19. Juni 2014 (pdf, ab Punkt 4961) und Zusammenfassung auf Plenum-Online zur Gesetztesinitiative der Piraten


Sendung zum Nachhören:
[audio:http://sendungen.freie-radios-sh.org/nms/2014/fsk_nachmittagsmagazin_freies_radios_nms_2014_07_16.mp3]


CC-Musik aus der Sendung zum Download:
Tactus „Shake Service“
Jimmy Pé „Mexico
Petit Mal „In Mexico
Los Primos „Me gusta el vino
THKAD „belltic
Tactus „Buleriass Shake

Landtagsdebatte zur Aushandlung des Medienänderungsstaatsvertrags

„Freies Radio als Gesellschaftsfunk ensteht nicht hinter verschlossenen Türen; es wird die Luft auch des Bundeslandes zwischen den Meeren atmen.“, so stand es zum Entwurf des neuen Mediengesetz als Schlusssatz in der Stellungnahme des Freien Sender Kombinats aus Hamburg. Was wir hier so poetisch daherkommt, hat einen konkreten Hintergrund: die Einforderung von Transparenz für das künftige Verfahren. Ob das von uns Mitte Juni 2014 ausführlich und in insgesamt zehn Stellungnahmen nichtkommerzieller Radioinitiativen und Organisationen kritisierte Papier nun eine ausführliche parlamentarische Debatte durchläuft, könnte sich heute entscheiden.


Interessanterweise hat die CDU-Fraktion Ende Mai 2014 einen Antrag eingebracht, der in der heutigen Landtagssitzung am 9. Juli 2014 ab 12:25 12:15 Uhr behandelt werden soll. Darin soll die Landesregierung aus SPD, Bündnis90/Grüne und SSW aufgefordert werden,“den Entwurf des 5. Medienänderungsstaatsvertrags erst dann zur Unterzeichnung zu bringen, wenn der Landtag zu den vorgesehenen Änderungen eine eigene Beratung und ein eigenes Anhörungsverfahren, analog zu einem Gesetzgebungsverfahren, durchführen konnte.“ Als Begründung führt die CDU den Koalitionsvertrag an, der eine bessere Beteiligung des Parlaments beim Aushandeln zukünftiger Staatsverträge vorsieht. Laut Antrag biete sich der 5. Medienänderungsstaatsvertrag dazu an, „weil die Thematik der möglichen Einführung lokalen Hörfunks von großer Bedeutung für das Land ist, eine parlamentarische Beratung keinen Zeitdruck erzeugt, nur zwei Bundesländer diesen Staatsvertrag miteinander schließen und die vorgeschlagene Staatsvertragsänderung nur das Recht in Schleswig-Holstein betrifft“. Die Debatte soll laut Zeitplan um 12:25 12:15 Uhr beginnen und ca. 40 Minuten dauern. Sie wird auch per Video-Livestream übertragen.


Update I


Wegen eines Schwächeanfalls des Abgeordneten Rasmus Andresen musste die Debatte unterbrochen werden. Ihm geht es gesundheitlich wieder besser.


Update II


Audio-Mitschnitt
Teil I zum nachhören:


[audio:http://sendungen.freie-radios-sh.org/parlament/ParlaRadio_Schleswig_Holstein__Debatte_MAeStV__Teil_1.mp3]


Teil II zum nachhören:
[audio:http://sendungen.freie-radios-sh.org/parlament/ParlaRadio_Schleswig_Holstein__Debatte_MAeStV__Teil_2.mp3]
Der verabschiedete Änderungsantrag von SPD, SSW und B90/Grünen findet sich hier: http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/2100/drucksache-18-2127.pdf
Pressemitteilungen gibt es dazu von
– Axel Bernstein (CDU) http://www.ltsh.de/presseticker/2014-07/09/13-01-54-62f8/
– Peter Eichstädt (SPD) http://www.ltsh.de/presseticker/2014-07/09/13-04-09-63c7/
– Rasmus Andresen (Bündnis90/Grüne) http://www.ltsh.de/presseticker/2014-07/09/16-59-47-1f78/
– Lars Harms (SSW) http://www.ltsh.de/presseticker/2014-07/09/17-03-41-2082/
– Heiner Garg (FDP) http://www.ltsh.de/presseticker/2014-07/09/17-08-26-21de/


Fazit:
Eine Parlamentsbeteiligung zur Aushandlung des Medienänderungstaatsvertrages wurde abgelehnt. Das soll erst bei künftigen Staatsverträgen möglich sein. In der schriftlichen Anhörung im Juni gab es insgesamt 36 Stellungnahmen auf 147 Seiten. Das Gesetz wird wahrscheinlich schon im August vorläufig unterschrieben und soll dann im September im Parlament endgültig abgesegnet werden. Ob es zu einer Überarbeitung kommt, ist noch unklar. Dazu gab es keine Aussagen von SPD, SSW und B90/Grünen. CDU und FDP haben konkrete Änderungen gefordert, zum Beispiel bei den Sendestandorten und der Finanzierung nichtkommerzieller Lokalradios.

Radiomontage – Workshop in Neumünster am 12. Juli 2014

Für alle die Freie Radios aufbauen wollen, bieten wir am kommenden Wochenende in Neumünster eine Radio-Workshop an. Es gibt noch zwei, drei Restplätze. Rückmeldungen bitte bis spätestens 10. Juli 2014.


Workshop „Der gebaute Beitrag“ | Freies Radio Neumünster e. V.


Der gebaute Beitrag ist eine der kreativsten Formen journalistische Inhalte für das Radio aufzubereiten. Mit der richtigen Mischung aus akustischen Elementen und einem geeigneten Aufbau steht der Inhalt eines Themas im Vordergrund. Mit der Radiomontage erzählen wir Geschichten mit den Mitteln des Radios. Aus Gesprochenem, O-Tönen, Geräuschen, Atmos und Musik wird ein gebauter Beitrag. Wir können ein Thema umfassend darstellen, Kontroverses gegenüber stellen oder Mehrsprachigkeit darstellen. Es zählen Dramaturgie und Abwechslung.


Wir werden im Workshop anhand selbst aufgenommener Interviews erarbeiten, wie wir daraus eine Geschichte radiophon erzählen können. Wir besprechen die Sammlung des Materials und die Dramaturgie von O-Tönen, Atmos oder Musik und das Schreiben der Sprechtexte.


Im Freien Radio zählt der Blick von unten auf ein Thema. Wir wollen darüber reden, wen wir zu Wort kommen lassen, darüber was im Mainstream-Radio fehlt und wie ein emanzipatorischer Umgang, wie Teilhabe, wie Gegenöffentlichkeit und publizistische Ergänzung aussehen können.


Der Workshop richtet sich an alle, die Interesse am Radiomachen haben und mithelfen wollen eine Freies Radio in Neumünster aufzubauen. Von Vorteil wären Grundkenntnisse des Audioschnitts. Wenn vorhanden, bitte Laptop, Aufnahmegerät und gern auch schon Ideen und Rohmaterial für geplante Beiträge oder auch eigene Hörbeiträge mitbringen.


Termin: 12. Juli 2014 von 10 bis 17 Uhr


Der Ort wird nach Anmeldung (an nms@freie-radios-sh.org) per E-Mail mitgeteilt

Stellungnahmen zum Entwurf des 5. Medienänderungsstaatsvertrag HSH

Bis zum 17. Juni 2014 hat die Staatskanzlei in Kiel allen Beteiligten die Möglichkeit gegeben, sich an der Anhörung zum Entwurf des 5. Medienänderungsstaatsvertrages für Hamburg und Schleswig-Holstein zu beteiligen. Der Entwurf soll dazu dienen, das bestehende Lokalradioverbot für Schleswig-Holstein aufzuheben. Als Freie Radio Initiative Schleswig-Holstein haben wir uns ebenfalls daran beteiligt und Kritik und Vorschläge in einem Brief an den zuständigen Referenten, alle Landtagsfraktionen und die Medienanstalt zusammengefasst. Auch aus den Städten mit lokalen Radioinitiativen in Schleswig-Holstein und von den beiden nichtkommerziellen Radios in Hamburg, sowie vom Bundesverband Freier Radios sind Stellungnahmen dazu eingegangen, die wir hier dokumentieren.
 
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1) FRISH – Freie Radio Initiative Schleswig-Holstein
 
Sehr geehrter Dr. Knothe,
 
sehr geehrte medienpolitische Sprecher der Landtagsfraktionen im Schleswig-Holsteinischen Landtag,
 
die Freie Radioinitiative Schleswig-Holstein FRISH beteiligt sich hiermit an der Anhörung zum Entwurf des neuen Mediengesetzes. In Absprache mit unseren lokalen Radioinitiativen gehen Ihnen dazu die Statements aus verschiedenen Städten zu. Als Landesinitiative möchten wir noch einmal zusammenfassend die wichtigsten Punkte und Vorschläge zusammentragen und kommentieren.
 
Wir begrüßen erst einmal, dass in Schleswig-Holstein das Lokalradioverbot beendet werden soll. Seit Jahren haben viele Menschen im Land dieses Dilemma kritisiert. Die Gründung einer Landesinitiative für Freie Radios Schleswig-Holstein war eine Konsequenz daraus. Denn wir brauchen eine vielfältigere Hörfunklandschaft im Norden. Freie Radios sind eine ideale Ergänzung und ermöglichen eine ganz neue Art von Hörfunk. In der Freien Radioinitiative Schleswig-Holstein haben sich mittlerweile verschiedene lokale Initiativen an unterschiedlichen Standorten in Schleswig-Holstein mit dem Ziel zusammengeschlossen, die Verbreitung von Nichtkommerziellem Lokalfunk (NKL) aufzubauen und zu fördern.
 
Der Entwurf des 5. MÄStV HSH beschränkt die Möglichkeiten für NKL jedoch in der Standortfrage, bei der Anerkennung als Bürgermedium und der unklaren Finanzierung. Der Entwurf in der jetzigen Form bedarf einer Überarbeitung.
 
Standortfrage
 
Die Freie Radio Initiative Kiel hat sich enttäuschend dazu geäußert, Kiel als Standort schon vom Gesetz her bewusst auszuschließen. Aus der Studie der Medienanstalt HSH geht hervor, dass es in Kiel eine freie Frequenz für ein neues Lokalradio gibt und dieses auch eher nichtkommerziell betrieben werden sollte. Völlig unverständlich ist deshalb auch für uns als Initiative, dass ausgerechnet die Landeshauptstadt von dem längst überfälligen Schritt der Zulassung nichtkommerzieller lokaler Radios, ausgenommen werden soll. Hier gibt es mit Radio Gaarden bereits ein Webradio, das im Stadtteil fest verankert ist. Zusammen mit anderen Menschen aus der Stadt hat sich die Freie Radios Initiative Kiel gegründet und steht in engem Kontakt zu anderen Städten. Ein Freies Radio in Kiel würde unweigerlich nicht nur allein als lokales Radio wahrgenommen, sondern wäre auch sehr wichtig für andere Radioinitiativen im Land und die gesamte Entwicklung des Lokalfunks in Schleswig-Holstein. Viele Ereignisse in den einzelnen Regionen in Schleswig-Holstein, sei es politischer oder wirtschaftlicher Natur, führen oft kaum an Kiel vorbei. Diese Chance von vornherein auszuschließen, halten wir für ein völlig falsches Signal.
 
Ebenso soll mit den Süden Holsteins eine gesamte Region ausgeklammert werden. Ein Overspill aus Hamburg kann aber aus unserer Sicht nicht der Grund sein, in einem angrenzenden Sendegebiet keinerlei reguläre Aktivitäten für Lokalradios entwickeln zu wollen. Zumal ähnliche nichtkommerzielle Sender aus Hamburg zum Beispiel in Pinneberg nicht mehr zu empfangen sind und dort mit der Radioinitiative in Pinneberg ein Bedarf besteht.
 
Aus den genannten Beispielen wird deutlich, dass eine Einschränkung auf fünf festgelegte Sendegebiete zu Einschränkungen führt. Damit bleibt ein Lokalradioverbot in weiten Teilen des Landes bestehen. Wir plädieren ebenfalls dafür, die geplante Festlegung auf vorher festgelegte Standorte aufzuheben und NKL an allen Standorten in Schleswig-Holstein zu ermöglichen, wo dies technisch realisierbar ist und wo ein Bedarf besteht bzw. Initiativen bereits existieren.
 
Der Entwurf bleibt zudem in dem Punkt unklar, wie unterschiedliche Interessen nichtkommerzieller und kommerzieller Anbieter an einem Standort gehandhabt werden. Über kommerzielle Sender soll die Medienanstalt nach Marktlage entscheiden. Aus unserer Sicht müssen nichtkommerzielle Lokalradios bei der Zulassung grundsätzlich Vorrang haben und gehört werden, ohne sie dabei in eine unmittelbare Konkurrenzsituation zu einem kommerziellen Anbieter zu stellen. Wir sprechen uns erneut dafür aus, die Einführung kommerzieller lokaler Radios nicht weiter zu forcieren. Eine publizistische Ergänzung, mehr Medienvielfalt oder eine geringere Medienkonzentration in Schleswig-Holstein wären mit ihnen nicht zu erwarten, weil erneut gewinnorientierte Vorgaben das Programm bestimmen. Konkret wenden wir uns gegen eine Vergabe einer kommerziellen Frequenz für den Standort Sylt, der die Verbreitung an der Westküste über den Standort Bredstedt verhindern würde. Und das obwohl vom Festland mindestens doppelt soviel Einwohnerinnen und Einwohnern erreicht werden könnten. Wie in Kiel und Lübeck steht auch hier eine kommerzielle Nutzung den Aktivitäten zum Aufbau Freier Radios entgegen.
 
Finanzierung
 
Ohne eine klare Formulierung, dass nichtkommerzielle Radio grundsätzlich durch eine öffentliche Förderung aus Rundfunkgebühren über die Medienanstalten unterstützt werden müssen, bleibt es unrealistisch nichtkommerzielle Radios dauerhaft und angemessen finanzieren zu können. Da Sie lediglich auf § 55 und die Förderung über die Medienstiftung verweisen, ändern sie nichts an der Tatsache, dass die Entscheidungen der Medienstiftung für eine dauerhafte Förderung keinesfalls gesichert sind. Die MA HSH hat in ihrem Gutachten auf das Problem der zu geringen Staatsferne hingewiesen. Die Freie Radioinitiative in Neumünster hat in ihrer Stellungnahme auf die bestehenden Einschränkungen bei der Medienstiftung SH für institutionelle Förderung und die zeitliche Einschränkung bei Projektförderungen hingewiesen. Zusätzlich reduziert der Mediengesetzvorschlag die Förderung auf eine anteilige Finanzierung der technischen Kosten. Unter diesen Bedingungen ist jedoch keine Finanzierung nichtkommerzieller Sender gesichert und geregelt.
 
Wir befürworten eine Regelung, wie sie die MA HSH in ihrem Gutachten angemahnt hat, die ein Vorschlagsrecht der Medienanstalt und klare Regelungen fordert. Die Förderung des nichtkommerziellen Hörfunks durch die Medienstiftung sollte längerfristig angelegt und sichergestellt werden. Wir plädieren für eine Grundfinanzierung durch die MA HSH, unabhängig von den politisch wechselhaften Zusammensetzungen der Medienstiftung.
 
Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unsere Stellungnahme dazu vom Januar 2014, in der wir darauf verwiesen haben, dass bei der Kalkulation der Förderhöhen für die Finanzierung der anfallenden Sende-, Verbreitungs-, Sach- und Personalkosten die Bedingungen für lokalen Rundfunk in einem Flächenland zu bedenken sind. Wenn Radiovereine weitab der Metropole aktiv sind, werden diese auch wesentlich weniger Möglichkeiten der Gegenfinanzierung über Mitgliedsbeiträge und Spenden erwarten können, als das in der Studie mit ca. 100.000 € jährlichen Gesamtkosten genannten Hamburger Freie Sender Kombinat (FSK). Eine langfristige und angemessene öffentliche Finanzierung wäre jedoch Voraussetzung für die Umsetzung der eigentlichen Ziele der Freien Radios in Schleswig-Holstein.
 
Redaktioneller Austausch

 
Eine weitere Kritik die in den Statements aus den Städten hervorgeht und die auch aus der bisherigen Praxis Freier Radios entgegensteht, ist die Einengung der Ausstrahlung von Programmen anderer Sender. Wir planen als Freie Radios in verschiedenen Städten eine enge Kooperation besonders auf redaktioneller Ebene. Redaktionsarbeit auch dezentral in verschiedenen Städten zu erproben und organisieren wäre gerade in Schleswig-Holstein als Flächenland eine wichtige publizistische Ergänzung und auch eine innovative Form das alte Medium Radio mit den Möglichkeiten des Internets miteinander zu verknüpfen. Ein gemeinsamer Mantel ist nicht geplant, vielmehr der Austausch von einzelnen Beiträgen und Sendungen. Wir sprechen uns deshalb dagegen aus, diese Regelung auch für nichtkommerzielle Lokalradios anzuwenden. Freie Radios begegnen dem Medium Radio anders als kommerzielle Sender, der Widerspruch zwischen Senden und Empfangen wird verwischt und vom Anspruch her aufgehoben. Wir wollen, dass möglichst viele Menschen in SH und HH vom Empfänger zum Sender wird.
 
Bürgermedien
 
Der wichtigste Punkt, den der Entwurf nicht enthält, ist die Anerkennung der nichtkommerziellen Loklaradios als Bürgermedien. Im Mediengesetz sollte im Abschnitt Bürgermedien auch NKL für Schleswig-Holstein und für Hamburg geregelt werden. Der Vorschlag aus Neumünster, zwei bestehende Paragraphen zusammenzufassen und einen neuen Paragraphen 34 ausschließlich für NKL einzufügen, bitten wir zu überprüfen.
 
Als Initiative für Freie Radios stehen wir für den weiteren Verlauf des Verfahrens gern zur Verfügung und möchten Sie bitten die Stellungnahmen und Positionen unserer Landesinitiative und aller Mitglieder in Kiel, Lübeck, Flensburg, Husum, Pinneberg und Neumünster, sowie die Stellungnahme des Bundesverbandes Freier Radios und des FSK Hamburg in der aktuellen Anhörung zum Entwurf des 5. MÄStV HSH zu berücksichtigen.
 
Bitte informieren Sie uns über den weiteren Verlauf des Verfahrens. Wir sind gern bereit, bei Beratungen und Anhörungen dazu weiter Stellungnahmen abzugeben oder beratend tätig zu sein.
 
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2) Freies Radio Neumünster e. V.
 
Sehr geehrter Dr. Matthias Knothe,
 
vielen Dank für die Zusendung des Entwurfs des Fünften Staatsvertrages zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften in Hamburg und Schleswig-Holstein (5. MÄStV HSH | Stand: 26. 3. 2014) und die Möglichkeit zur Stellungnahme.
 
Als Radioinitiative Freies Radio Neumünster e. V. begrüßen wir den politischen Willen der Senats- und Staatskanzleien von Hamburg und Schleswig-Holstein das Lokalradioverbot in Schleswig-Holstein endlich beenden zu wollen und damit auch nichtkommerziellen lokalen Hörfunk zu ermöglichen. Schleswig-Holstein benötigt dringend mehr Medienvielfalt, vor allem durch neue Anbieter und den Start Freier Radios. Unser Ziel in Neumünster ist ein unabhängiges, selbstverwaltetes und nichtkommerzielles Lokalradio aufbauen und betreiben zu können. Wir stehen in engem Kontakt mit Initiativen aus anderen Städten und haben die Freie Radio Initiative Schleswig-Holstein (FRISH) mitgegründet.
 
Der vorliegende Entwurf des 5. MÄStV HSH begrenzt oder verhindert jedoch unser Vorhaben. Eingeführt wird lediglich die Akzeptanz einiger weniger nichtkommerzieller Sender, nicht aber deren aktive Unterstützung. Der vorliegende Entwurf orientiert sich nicht an den Bedingungen und Bedürfnissen nichtkommerzieller Radios und unserer Initiativen in Schleswig-Holstein. Es fehlen eine medienrechtliche Anerkennung als Bürgermedium und Regelungen für eine angemessene Finanzierung.
 
Wir bitten deshalb um eine Überarbeitung des aktuellen Entwurfs in diesen Punkten:
 
1. Anerkennung als Bürger- und Alternativmedien
 
Der Entwurf orientiert sich vor allem an der Einfügung eines neuen § 28 a, der auf die Zuweisung von Sendekapazitäten von Regionalfensterprogrammen abzielt und nun um Lokalradios erweitert werden soll. Unberührt bleibt jedoch die Anerkennung nichtkommerzieller Lokalradios als Bürgermedien (Sechster Abschnitt) und damit eine Ergänzung der bestehenden Regelungen zum Hamburgischen Bürger- und Ausbildungskanal und zum Offenen Kanal Schleswig-Holstein (§ 33 bis § 36).
 
Nichtkommerzielle Lokalradios (NKL), wie sie derzeit mit den Radioinitiativen in Lübeck, Kiel, Flensburg, Pinneberg, Husum oder hier in Neumünster bestehen, benötigen eine Zuordnung zu den Bürgermedien, wie sie bereits in vielen Mediengesetzen anderer Bundesländer eingeführt und geregelt sind. Nichtkommerzielle Lokalradios oder auch Freie Radios gehören durch ihren Charakter der Nichtkommerzialität, der Zugangsoffenheit, der Förderung von Medienkompetenz und als lokales Medium zum Sektor der Bürger- und Alternativmedien (international Community Media). Bundesweit gibt es mehr als 30 Freie Radios. Schleswig-Holstein bildet hier eines der Schlusslichter. Zur Verbesserung und Ergänzung des Medienstaatsvertrages bieten sich beispielsweise die Regelungen aus den Mediengesetzen in Hessen oder Sachsen-Anhalt an, die NKL medienrechtlich anerkennen und aus Rundfunkgebühren fördern. Die Formulierungen aus diesen beiden Bundesländern liegen dem Schreiben bei.
 
Wir plädieren deshalb dafür, den bestehenden § 34 (Trägerschaft) in § 33 zu integrieren, da sich beide Paragraphen auf den Hamburgischen Bürger- und Ausbildungskanal beziehen. Ein neuer § 34 sollte stattdessen „Nichtkommerzielle Lokalradios in Hamburg und Schleswig-Holstein“ einführen. Damit würde die Realität nichtkommerzieller Radios, wie sie in Hamburg bereits existieren (Freies Sender Kombinat Hamburg und Hamburgisches Lokalradio) und in Schleswig-Holstein bisher nicht möglich sind, auch medienrechtlich Rechnung getragen. Ein alleiniger Fokus auf Schleswig-Holstein ohne die Einbeziehung Hamburgs stellt aus unserer Sicht eine unnötige Einschränkung dar.
 
Zur Finanzierung hat die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein (MA HSH) in der von im Entwurf zitierten Studie “Perspektiven für lokalen Hörfunk in Schleswig-Holstein” vom Juni 2013 bereits Vorschläge gemacht, wie diese aus Mitteln der Medienstiftung künftig langfristiger, nachhaltiger und unabhängiger als bisher zu leisten wären. Unberührt bleiben davon würde die bestehende Finanzierung des OK SH und Tide. [1]
 
Vorschlag:
 
§ 34 wird in § 33 integriert
 
Neuer § 34 „Nichtkommerzielle Lokalradios in Hamburg und Schleswig-Holstein“
 
(1) Die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein kann im Interesse der Meinungsvielfalt auch Veranstalter nicht kommerziellen lokalen Hörfunks zulassen.
 
(2) Die Zulassung wird einer juristischen Person oder einer nicht rechtsfähigen Vereinigung des Privatrechts erteilt, deren Zweck nicht auf Gewinnerzielung angelegt ist und die rechtlich die Gewähr dafür bietet, dass sie unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften Einfluss auf die Programmgestaltung, insbesondere durch Zubilligung von Sendezeiten für selbst gestaltete Programmbeiträge, einräumt.
 
(3) Werbung, Teleshopping und Sponsoring sind unzulässig.
 
(4) Die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein wird ermächtigt, durch Satzung den Umfang finanzieller Förderung von Veranstaltern nichtkommerziellen lokalen Hörfunks nach Maßgabe ihres Haushaltes und aus der Medienstiftung Hamburg Schleswig-Holstein festzulegen, die sich an allen anfallenden Kosten für die Infrastruktur und die Verbreitung des Programms orientieren.
 
(5) Veranstalter nicht kommerziellen lokalen Hörfunks können mit Genehmigung der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein Vereinbarungen mit anderen Rundfunkveranstaltern über die Lieferung von Programmteilen treffen, soweit dadurch die
inhaltliche Verantwortung des Veranstalters nicht kommerziellen lokalen Hörfunks und die Eigenständigkeit seines Rundfunkprogramms nicht beeinträchtigt werden.
 
2. Beschränkung der Verbreitungsgebiete aufheben
 
Der Entwurf des 5. MÄStV HSH sieht die Beschränkung auf fünf Verbreitungsgebiete vor, wobei davon bis zu zwei kommerziell und weitere Regionen nichtkommerziell betrieben werden sollen. Mit der Beschränkung auf wenige ausgewählte Gebiete wird das Lokalradioverbot in Schleswig-Holstein jedoch lediglich gelockert, nicht aber abgeschafft. Wir halten diese Beschränkung für unnötig. Obwohl Neumünster durch die Nennung in der Liste der möglichen Standorte nicht vorrangig davon betroffen wäre, würden jedoch wesentliche Orte in Schleswig-Holstein ausgeschlossen. An vielen Standorten existieren bereits Radioinitiativen für nichtkommerzielle Lokalradios. Die Begründung, dass eine gewollte Einschränkung auf fünf Standorte dem Schutz der Leistungsfähigkeit und der Vielfalt der bestehenden Medienlandschaft dienen würde, ist aufgrund des vielfältigen Programms, das Freie Radios bieten können, für uns nicht nachvollziehbar.
 
Wir plädieren für die Abschaffung oder Änderung dahingehend, dass auch mehr als fünf und auch andere Standorte grundsätzlich möglich wären. Die Zuweisung von Standorten sollte der Medienanstalt obliegen und sich neben den technischen Voraussetzungen auch am lokalen Bedarf und das Vorhandensein von Anbietern orientieren. Die Zuweisung der Standorte per Gesetz ist kontraproduktiv, da neue Standorte oder Änderungen der Standorte ein neuerliches Gesetzgebungsverfahren erforderlich machen.
 
Wichtig ist uns zudem, dass zuerst Interessen nichtkommerzieller Anbieter berücksichtigt werden. Wenn die MA HSH nach Marktanalyse über die Art des Anbieters entscheiden soll, dann ist mit der jetzigen Formulierung unklar, ob dabei allein die Bewerbungen kommerzieller Anbieter zugelassen werden sollen oder ob auch vor einer Ausschreibung grundsätzlich zunächst die Option der Vergabe an einen nichtkommerziellen Anbieter berücksichtigt wird. Unter Umständen würden nichtkommerzielle Anbieter nicht zum Zuge kommen, obwohl inhaltlich und auch in Bezug auf ihre soziale Verankerung durch ihre Ausrichtung als Bürger- und Alternativmedien mehr Medienvielfalt zu erwarten wäre. Dieses Szenario könnte sich an der Westküste und in Lübeck abzeichnen.
 
Unverständlich ist zudem der komplette Ausschluss des Standortes Kiel. Obwohl Sie sich ausdrücklich auf das Gutachten der Medienanstalt berufen, die Landeshauptstadt darin mit einer freien Frequenz mit hoher Reichweite ausgewiesen wurde und auch eine Empfehlung für eine Tendenz als einen nichtkommerziellen Standort ausgesprochen wurde, schließen Sie die Bewohnerinnen und Bewohner Kiels von vornherein aus. Stattdessen soll die Region Eckernförde, Rendsburg, Schleswig ein möglicher Standort sein, der in der MA HSH-Studie jedoch nicht erwähnt wurde.
 
Aus unserer Sicht ist der Standort Kiel für die Einführung nichtkommerzieller Lokalradios in Schleswig-Holstein von sehr wichtiger Bedeutung und darf nicht ausgenommen werden. Da die Sendegebiete von Kiel und Neumünster sich an ihren Rändern laut der Lokalradiostudie der MA HSH überschneiden könnten und die beiden Städte ohnehin eng verbunden sind, wäre für uns auch eine Zusammenarbeit von zwei lokalen Radioinitiativen in zwei sich angrenzenden Verbreitungsgebieten mit einem gemeinsamen Programm für Neumünster und Kiel denkbar.
 
Bei der Zusammenfassung zu Regionen ist uns bisher noch unklar, warum im Falle Neumünster neben Padenstedt auch Bordesholm und Nortorf dazu zählen. Aus dem Gutachten der MA HSH geht hervor, dass insbesondere Bordesholm und Nortorf über die 93,4 MhZ nur in eingeschränkter Qualität erreicht werden könnten. Wir bitten um eine Klarstellung, ob diese Städte zwingend mitversorgt werden müssten, was sich unter Umständen auch auf die Verbreitungskosten auswirken würde.
 
Unklar ist uns auch, warum durch die Verbreitung Hamburger Sender außerhalb ihres eigentlichen Versorgungsgebietes (Overspill), der gesamte Süden des Landes ausgespart werden muss. In Pinneberg gibt es eine lokale Radioinitiative und damit Bedarf. Freie Radios sind in jedem Sendegebiet durch ihren besonderen Charakter eine wichtige Ergänzung zu den kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Anbietern.
 
3. Förderung anpassen für eine angemessene und nachhaltige Finanzierung
 
Der Entwurf nimmt für die Einführung neuer Sender keinerlei Änderung bei der Finanzierung nichtkommerzieller Lokalradios vor, sondern schränkt sie sogar noch ein. Offen bleibt damit, wie sich nichtkommerzielle Anbieter realistisch finanzieren sollen. Die Abwicklung allein über die Medienstiftung kann keine dauerhafte Lösung sein.
 
Sie verweisen im Anhang (Anlage 2 | Stand: 4. 4. 2014) auf die bestehende Regelung im § 55 MstV HSH (Absatz 4 Satz 2 Nummer 5), der zur Finanzierung besonderer Aufgaben eine „finanzielle Unterstützung von Formen der nichtkommerziellen Veranstaltung von Rundfunk“ bereits jetzt ermöglicht. Die Auslegung dieses Paragraphen schränken Sie im Entwurf dann aber erheblich ein. Im Anhang auf Seite 4 (zu Nummer 5) ist nur noch von der finanziellen Unterstützung der Verbreitungstechnik die Rede. Auf Seite 1 (zu Nummer 1) wird die Einschränkung noch weiter gefasst. Demnach sei nur noch eine anteilige finanzielle Förderung der Übertragungstechnik durch die Medienstiftung vorgesehen.
 
Die Vergabegrundsätze der Medienstiftung Hamburg Schleswig-Holstein sehen zudem vor, dass die „Finanzierung von Projekten und Vorhaben in der Regel zeitlich befristet und eine dauerhafte institutionelle Förderung nur in Ausnahmefällen möglich ist. Stiftungsmittel sollen auch kein Ersatz für ausbleibende staatliche oder öffentliche Förderungen sein.“ [2] Dies wäre nach dem jetzigen Entwurf bei den nichtkommerziellen Lokalradios jedoch der Fall. Problematisch wäre konkret die maximale Frist im Falle einer Projektförderung von drei Jahren und dass für eine Förderung Eigen- oder Drittmittel (mindestens 20 Prozent) nachzuweisen sind.
 
Wenn tatsächlich nur ein Anteil der Übertragungstechnik gefördert werden soll und unsicher ist, ob die Medienstiftung einer dauerhaften institutionellen Förderung überhaupt zustimmt, müssten die nichtkommerziellen Radios unter Umständen einen immensen Anteil an Eigenmitteln erwirtschaften oder wären trotz einer Lizenz bzw. einer Zuweisung für terrestrische Übertragungskapazitäten früher oder später nicht in der Lage zu senden. Unter diesen Bedingungen wären sie damit nicht in der Lage, sich ihren eigentlichen Aufgaben zu widmen.
 
Hier hat die MA HSH in ihrem Lokalradio-Gutachten unter Punkt 3. 3. 2 (Seite 25) und wir mit der Stellungnahme der Freien Radio Initiative Schleswig-Holstein (FRISH) vom Januar 2014 bereits Vorschläge gemacht, die wir unterstützen und Sie bitten ebenfalls zu übernehmen.
 
Die MA HSH fordert darin: „Die Entscheidungshoheit über den Träger des nichtkommerziellen Hörfunks muss dabei vollständig bei der MA HSH verbleiben. Eine Einbeziehung der Medienstiftung über die reine Förderleistung hinaus wäre mit dem Gebot der Staatsferne schwer vereinbar […] Zudem sollte die Förderung des nichtkommerziellen Hörfunks durch die Medienstiftung längerfristig angelegt und sichergestellt werden. Hier wäre eine Klarstellung im Medienstaatsvertrag anzustreben, dass die Medienstiftung an die Auswahlentscheidung der MA HSH gebunden ist.“
 
Die FRISH hatte in ihrer Stellungnahme dazu ergänzt: „Bei der Kalkulation der Förderhöhen für die Finanzierung der anfallenden Sende-, Verbreitungs-, Sach- und Personalkosten geben wir jedoch die Bedingungen für lokalen Rundfunk in einem Flächenland zu bedenken. Wenn Radiovereine weitab der Metropole aktiv sind, im Gegensatz zu dem mit ca. 100.000 € jährlichen Gesamtkosten genannten Hamburger Freien Sender Kombinat (FSK), werden diese auch wesentlich weniger Möglichkeiten der Gegenfinanzierung über Mitgliedsbeiträge und Spenden erwarten können. Eine langfristige und angemessene öffentliche Finanzierung wäre jedoch Voraussetzung für die Umsetzung der eigentlichen Ziele der Freien Radios in Schleswig-Holstein.“ [3]
 
Die Höhe von Zuschüssen zur Ermöglichung des Sendebetriebs sollte sich auch in Schleswig-Holstein an den anfallenden Betriebs-, Koordinations-, Sende- und Leitungskosten sowie Abgaben für GEMA und GVL orientieren.
 
4. Sendungskooperationen stärken
 
Der aktuelle Entwurf könnte den redaktionellen Austausch zwischen nichtkommerziellen Anbietern erheblich einschränken. Die Übernahme fremder Programmteile soll nur zulässig sein, wenn sie sich nicht nachteilig auf die Authentizität des eigenen Programms auswirken. Diese Formulierung bezieht sich in der Begründung zwar beispielsweise auf das Erstellen eines Mantelprogramms, kann aber auch den Charakter eines Freien Radios in Frage stellen.
 
Hier steht traditionell der solidarische Austausch, die Übernahme von Mitschnitten oder ganzer Sendungen, wie zum Beispiel das halbstündige Nachrichtenmagazin der Freien Radios zip-fm, im Vordergrund. Lokale Berichterstattung bedeutet in Freien Radios nicht ausschließlich nur die Berichterstattung über lokale Vorgänge, sondern hauptsächlich über lokale Interessen. Diese liegen dann auch bei überregionalen und internationalen Themen, beispielsweise zu Krisen und Konflikten in anderen Ländern und sind oft nur durch den internationalen Austausch zwischen lokalen Community Radios möglich. Über die Audioportale der Freien Radios in Deutschland und Österreich stehen derzeit mehr als 100.000 Beiträge zur Verfügung.
 
Auch in Schleswig-Holstein sind eine starke redaktionelle Vernetzung und innovative Formen dezentraler Redaktionsarbeit zwischen den nichtkommerziellen Radios geplant. Solch ein Verbund verringert nicht etwa die lokale und regionale Vielfalt sondern erhöht sie. Wir schlagen deshalb vor, diese Regelung für die nichtkommerziellen Radios zu streichen. Bei einer offensichtlichen Fehlentwicklung wäre auch eine Ergänzung und Konkretisierung bei einer künftigen Novellierung des Medienstaatsvertrages möglich.
 
Mit dieser Stellungnahme zum Entwurf des 5. MÄStV HSH bitten wir um die Berücksichtigung in der aktuellen Phase der internen Anhörung der Landesregierung, die bis zum 17. Juni 2014 Anmerkungen und Kommentare zulässt. Bitte informieren Sie uns über die weiteren Verhandlungen. Wir sind gern bereit, bei Beratungen und Anhörungen dazu Stellung zu nehmen.
 
Ergänzungen
 
[1] Download als Umdruck 18/2013 in der Datenbank des Landtag SH
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/umdrucke/2000/umdruck-18-2013.pdf
 
[2] Aus den Förderrichtlinien der Medienstiftung Hamburg- und Schleswig-Holstein
http://www.medienstiftung-hsh.de/stiftung/Richtlinien-fuer-die-
Foerderungsprojekte,foerderrichtlinien103.html
 
[3] Download als Umdruck 18/2314 in der Datenbank des Landtag SH
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/umdrucke/2300/umdruck-18-2314.pdf oder auf der
FRISH Webseite: http://www.freie-radios-sh.org/stellungnahme-freie-frequenzen-fuer-freie-radios-
in-schleswig-holstein/
 
Auszug I
 
Aus dem HPRG Gesetz über den privaten Rundfunk in Hessen – Hessisches Privatrundfunkgesetz
(HPRG) vom 27.09.2012
 
§ 40 Nichtkommerzieller lokaler Hörfunk
 
(1) Die Landesanstalt kann im Interesse der Meinungsvielfalt in von ihr festzulegenden Verbreitungsgebieten Veranstalter nichtkommerziellen lokalen Hörfunks zulassen. Dabei hat sie auf
eine ausgewogene regionale Verteilung in unterschiedlich strukturierten Landesteilen hinzuwirken. §§ 4 bis 8, § 9 Abs. 1 und 2, § 11, § 13 Abs. 1 bis 3, § 14, § 19, §§ 23 bis 29 finden entsprechende Anwendung.
 
(2) Die Zulassung darf nur einer juristischen Person oder einer nicht rechtsfähigen Vereinigung des Privatrechts erteilt werden, deren Zweck nicht auf Gewinnerzielung angelegt ist und die rechtlich die Gewähr dafür bietet, dass sie unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften Einfluss auf die Programmgestaltung, insbesondere durch Zubilligung von Sendezeiten für selbstgestaltete Programmbeiträge, einräumt.
 
(3) Werbung und Sponsoring sind unzulässig.
 
(4) Die Landesanstalt kann Trägern von Verkehrseinrichtungen Frequenzen mit geringer Reichweite zur Veranstaltung verkehrsbezogener Informationen zuweisen. § 6 Abs. 2
Nr. 1 und § 40 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 finden keine Anwendung.
 
Auszug II
 
Aus dem Mediengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (GVBl. LSA Nr.1/2013) vom 11. Januar 2013
 
§ 22 Nicht kommerzieller lokaler Hörfunk
 
(1) Die Medienanstalt Sachsen-Anhalt kann im Interesse der Meinungsvielfalt auch Veranstalter nicht kommerziellen lokalen Hörfunks zulassen. Die §§ 3 bis 5 Abs. 1, § 10 Abs. 1, die §§ 12 bis 18, 24 bis 30, der Abschnitt 5 und die §§ 55 bis 62 gelten entsprechend, soweit nicht in den Absätzen 2 bis 5 eine andere Regelung getroffen ist.
 
(2) Die Zulassung wird für die Dauer von drei Jahren nur einer juristischen Person oder einer nicht rechtsfähigen Vereinigung des Privatrechts erteilt, deren Zweck nicht auf Gewinnerzielung angelegt ist und die rechtlich die Gewähr dafür bietet, dass sie unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften Einfluss auf die Programmgestaltung, insbesondere durch Zubilligung von Sendezeiten für selbst gestaltete Programmbeiträge, einräumt. Die Zulassung kann um jeweils zwei Jahre verlängert werden.
 
(3) Werbung, Teleshopping und Sponsoring sind unzulässig.
 
(4) Die Medienanstalt Sachsen-Anhalt kann im Einvernehmen mit dem Veranstalter nicht kommerziellen lokalen Hörfunks festlegen, dass die ihm zur Verbreitung seines Programms zugewiesenen terrestrischen Übertragungskapazitäten zu bestimmten Zeiten auch für Offene Kanäle im Hörfunk genutzt werden können.
 
(5) Die Medienanstalt Sachsen-Anhalt wird ermächtigt, durch Satzung den Umfang finanzieller Förderung von Veranstaltern nicht kommerziellen lokalen Hörfunks nach Maßgabe ihres Haushaltes
festzulegen. Hierbei ist für die jeweilige Zulassungsdauer eine Beschränkung der finanziellen Förderung durch die Medienanstalt Sachsen-Anhalt auf die nachgewiesenen Kosten, einschließlich
der Kosten für die Verbreitung des Programms, sowie eine angemessene Eigenfinanzierung des Veranstalters anzustreben.
 
(6) Veranstalter nicht kommerziellen lokalen Hörfunks können mit Genehmigung der Medienanstalt Sachsen-Anhalt Vereinbarungen mit anderen Rundfunkveranstaltern über die Lieferung von Programmteilen treffen, soweit dadurch die inhaltliche Verantwortung des Veranstalters nicht kommerziellen lokalen Hörfunks und die Eigenständigkeit seines Rundfunkprogramms nicht
beeinträchtigt werden.
 
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[hide-this-part morelink=’3) Freie Radioinitiative Kiel‘]

3) Freie Radioinitiative Kiel
 
Vielfalt wird durch Freies Radio erst hergestellt
 
Zuerst begeistert haben wir den politischen Willen wahrgenommen, die monopolisierte, einfältige Medienlandschaft in Schleswig-Holstein ein wenig aufzubrechen. Im Bereich der Printmedien der SHZ-Verlag und die KN- Verlagsgruppe (die ebenfalls an den Privatradios beteiligt sind), im Bereich des Hörfunks reine Abspielstationen von angeblich eingängiger Mainstreammusik gespickt mit inadäquaten Kommentaren und Werbung; minimale regionale Berichterstattung, die selten über Oberflächlichkeiten hinausgeht. Ein öffentlich-rechtlicher Hörfunk, der sich häufig inhaltlich und „künstlerisch“ mit den Privatsendern messen kann und will.
 
Getrübt wurde die Begeisterung allerdings durch die Vorlage des Gesetzentwurfes, die eine gesetzlich verankerte Begrenzung der Standorte vorsieht. Für uns völlig unverständlich werden große Teile der Bevölkerung in Schleswig-Holstein einfach ausgespart. Ausgerechnet die Landeshauptstadt Kiel soll weiter ohne Vielfalt und kritische Berichterstattung auskommen, diese extrem starke Einengung ist für uns gänzlich unverständlich. Ohne ersichtlichen Grund soll eine längst überfällige Veränderung der eintönigen, monopolisierten Medienlandschaft in Schleswig-Holstein über Jahre hinaus stark eingegrenzt werden. Ein enthusiastisches Projekt wird von vornherein übermäßig stark eingegrenzt – das finden wir sehr bedauerlich und unnötig!
 
Der vorgelegte Gesetzentwurf bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, die wir insbesondere nach dem dem Gutachten der MAHSH entwickelt haben. Er grenzt ein und eröffnet wenig neue Perspektiven.
Die Frage der Finanzierung wird auf der einen Seite zwar eingegrenzt – keine Werbung, kein Sponsoring – , aber auf der anderen Seite wird eine gesicherte Grundfinanzierung verunmöglicht, indem die neuen Medien abhängig gemacht werden von politischer Mehrheitenänderung in der Medienstiftung.
Eine Grundfinanzierung durch die Medienanstalt, unabhängig von den jeweiligen politischen Mehrheiten, ist eine Grundlage dafür neue Vielfalt in Schleswig-Holstein zu ermöglichen.
 
Schleswig-Holstein hinkt im bundesweiten Vergleich der Entwicklung hinterher, es wird Zeit das zu ändern, in SH besteht jetzt eine Chance darin, einen großen Schritt aufzuholen und mit einem ambitionierten Gesetzentwurf, die in den Startlöchern stehenden Initiativen zu fördern.
 
Wir hoffen, dass es sowohl im Innen – und Rechtsausschuss als auch im Landtag eine lebhafte Diskussion um die Etablierung von Freien Radios / NKL geben wird und erwarten an diesen Debatten beteiligt und dazu gehört zu werden.
 
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[hide-this-part morelink=’4) Verein für ein Freies Radio Lübeck e.V.‘]

4) Verein für ein Freies Radio Lübeck e.V.
 
Stellungnahme der „Freien Radio-Initiative Lübeck“, organisiert im „Verein für ein Freies Radio Lübeck e.V.“
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
wir bedanken uns für die Möglichkeit, zum aktuellen Entwurf des Staatsvertrages und dessen Begründung Stellung beziehen zu können.
 
So sehr wir – wie auch bereits in unserem Schreiben vom 05.05. dargestellt – die geplante Zulassung von lokalem Rundfunk in Schleswig-Holstein begrüßen, so enttäuschend finden wir die derzeitige Vorlage, insbesondere in Verbindung mit der medialen Berichterstattung, welche Zweifel an der Transparenz der gegenwärtigen Umsetzung des Konzeptes suggeriert.
 
Zunächst erscheint die inhaltlich nicht weiter begründete Konzeption einer Vermengung von unkommerziellen und kommerziellen Standorten das ursprünglich anvisierte Ziel einer Aufbrechung der medienpolitischen Monopolisierung zu konterkarieren – bekannt ist, dass kommerziell betriebene Sender/Anbieter regelhaft nicht in der Lage sind, Lokalredaktionen zu betreiben, die eigenständige Berichterstattung ermöglichen. Stattdessen ist vor dem Hintergrund einer marktwirtschaftlichen Ausrichtung eine weitgehende Reduzierung eines entsprechenden Sendebetriebes auf der Ebene von CD-Abspielstationen zu erwarten. Darüber hinaus besteht – zusätzlich zu der Konkurrenzsituation mit lokalen Informationsträgern hinsichtlich potentieller Werbeträger – das Risiko, dass eine redaktionelle Unabhängigkeit der Berichterstattung bei zu erwartendem überschaubaren (und existentiell dann bedeutsamen) Werbeeinnahmen durch lokale Werbeträger nicht mehr gegeben sein dürfte.
 
Vor dem Hintergrund dieser strukturellen Problematik waren wir umso erstaunter, als in der taz Hamburg vom 19.05. ein Verweis auf die geplante Vergabe der Lübecker Frequenz an kommerzielle Anbieter erwähnt wurde, obschon seitens der Staatskanzlei im November 2013 in dem Gutachten „Perspektiven für lokalen Rundfunk in Schleswig-Holstein“ zusätzlich zu den o.g. Bedenken der Businessplan des Anbieters RZ1 als unzureichend klassifiziert wurde. Sollten die in der taz publizierten Informationen die derzeitige Priorisierung der Landesregierung widerspiegeln, so wäre aus unserer Sicht ein eklatanter Bruch der Herstellung von Öffentlichkeit festzustellen. Andernfalls wäre eine öffentliche Klarstellung aus unserer Perspektive erforderlich.
 
Prinzipiell ist aus unserer Sicht weiterhin die Festschreibung auf eine begrenzte Anzahl an Frequenzen – insbesondere unter Ausschluss bedeutsamer Standorte wie Kiel – zu kritisieren. Wohl wissend, dass naturgemäß zunächst die Umsetzung nichtkommerziellen Lokalfunks auch durch verfügbare Ressourcen begrenzt sein dürfte, erscheint doch eine Gesetzgebung, die das bestehende Verbot von Lokalfunk mit Ausnahme von 5 Standorten reproduziert, nicht den Aufbau medialer Pluralität zu befördern.
 
Wir wünschen uns dementsprechend eine transparente, öffentliche Debatte hinsichtlich der Umsetzung nichtkommerziellen Rundfunks in Schleswig-Holstein unter Einbeziehung der landesweit existierenden Freien Radio Initiativen.
 

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[hide-this-part morelink=’5) Freies Radio – Initiative Flensburg e.V.‘]

5) Freies Radio – Initiative Flensburg e.V.
 
Sehr geehrter Herr Knohte, sehr geehrte medienpolitische Sprecher_innen der Fraktionen im Landtag, sehr geehrte Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses des Landes,
 
wir, die Freie Radio Initiative in Flensburg sind zutiefst enttäuscht über den vorgelegten Entwurf zur Änderung des Medienstaatsvetrages HSH. Wir begrüßen die Bestrebungen durch die Überarbeitung des Medienstaatsvertrages lokale Hörfunkprogramme zuzulassen. Eine Ergänzung der vorhandenen Medienlandschaft im Hörfunk istabsolut notwendig und wir sehen die Aufgabe des nichtkommerziellen Lokalrundfunks (NKL) darin nicht nur zur Medienvielfalt im Land Schleswig-Holstein beizutragen, sondern diese erst herzustellen, denn aktuell kann von Medienvielfalt nicht die Rede sein.
 
Als Teil der Freien Radio Initiative Schleswig Holstein sind wir empört über die Zahlenmäßige Einschränkung der Standorte nichtkommerziellen Lokalrundfunks (NKL), die räumliche Festschreibung und die daraus resultierende Nachordnung hinter kommerzielle Lokalrundfunkanbieter, die, wenn ihnen Frequenzen zugeteilt werden, ein NKL in der jeweiligen Region unmöglich machen würden.
 
Aus Ihren Erklärungen geht nicht hervor, wozu eine Zahlenmäßige Beschränkung gut sein soll, zumal sie doch dem von Ihrer Seite selbst formuliertem Ziel des Änderungsgesetzes entgegensteht, eine lokale Erweiterung der Medienvielfalt zu erreichen.In ihrer Erklärung erläutern Sie lapidar, eine etwaige Schaffung weiterer Versorgungsgebiete würde eine erneute Änderung des MStV HSH nötig machen, wo Ihnen doch noch viel bewusster als uns sein sollte, dass sich so etwas nicht bei Bedarf ohne weiteres verwirklichen ließe, sondern einen erneuten, lange andauernden und unnötige Ressourcen aufzehrenden Prozess darstellen würde. Eine solche Festschreibung in einem gemeinsamen Gesetzeswerk zweier Länder vornehmen zu wollen stellt eine massive Beschränkung da.
 
Weiterhin berufen Sie sich in ihren Erklärungen auf das Gutachten der MA HSH und die darin enthaltenen vorläufigen Untersuchungen der Bundesnetzagentur zu für Lokalrundfunk nutzbaren Frequenzen, weichen dann in Ihren Festlegungen zu den Versorgungsgebieten jedoch weit davon abund legen z.B. in unserem Fall für die Region Flensburg ein Versorgungsgebiet fest, dass auch Tastrup mit umfassen soll, was nach den Bewertungen der Bundesnetzagentur jedoch nur mit außerordentlich schlechtem Empfang oder gar nicht möglich wäre. Hier stellt sich uns die Frage, ob eine Zuteilung eines Versorgungsgebietes auch die Pflicht einher ginge, dieses in seiner Gesamtheit zu Versorgen. Am Beispiel Neumünster wird die Unstimmigkeit zwischen Versorgungsgebietszuweisung und technischer Einschätzung noch deutlicher klar und die Gründe, aus denen Sie das Versorgungsgebiet Kiel komplett außer acht lassen, obwohl dieses im Gutachten der MA HSH explizit beurteilt wurde und auch als Standort für NKL in Betracht gezogen wurde, sind absolut intransparent.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Freies Radio – Initiative Flensburg e.V.
 
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[hide-this-part morelink=’6) Radioinitiative Pinneberg‘]

6) Radioinitiative Pinneberg
 

Update demnächst
 
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[hide-this-part morelink=’7) Freie RadioCooperative Husum‘]

7) Freie RadioCooperative Husum
 
Mit Schreiben vom 6. Mai 2014 hat uns das Referat für Medienpolitik der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein gebeten, eine Stellungnahme zum Entwurf des 5.Medienänderungsstaatsvertrages abzugeben.
 
Die Freie RadioCooperative e.V. (FRC) bedankt sich für die Möglichkeit, ihre Position darzulegen und nimmt zudem Gesetzesentwurf wie folgt Stellung:
 
Die FRC begrüßt die geplante Zulassung von lokalem Hörfunk in Schleswig-Holstein, hält jedoch die die Zuweisung von einzelnen, im Staatsvertrag festgeschriebenen Sendegebieten für nicht sinnvoll.
 
Lokaler Rundfunk sollte im gesamten Gebiet der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg möglich sein. Die Sendegebiete sollten von der Medienanstalt HSH entsprechend der terrestrischen und technischen Möglichkeiten vergeben werden. Der Zugang zum Lokalen Rundfunk sollte grundsätzlich für alle Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein und Hamburg möglich sein.
 
Eine Standort-offene Gesetzesregelung trägt den sich abzeichnenden Veränderungen durch die Digitalisierung des Hörfunks und den gesetzlichen Neuregelungen und Vorgaben durch das Europaparlament Rechnung.
 
Eine Vergabe von Lizenzen für einen kommerziellen Lokalhörfunk lehnt die FRC grundsätzlich ab.
 
Kommerzieller Lokalhörfunk führt in keiner Weise zu einer breiteren Medienvielfalt, da sich kommerzielle Anbieterinnen und Anbieter an privatwirtschaftliche Interessen und den damit verbundenen Sendequoten orientieren müssen. Eine Orientierung an lokale Ereignisse und regionale, kulturelle Aktivitäten sind dadurch von vornherein ausgeschlossen.
 
Eine größere Bürgerbeteiligung und -information und die Förderung lokaler und regionaler Kultur lässt sich nur durch Nichtkommerziellen Lokalrundfunk (NKL) sicherstellen.
 
Gerade der NKL bietet für Schleswig-Holstein zahlreiche Chancen und Möglichkeiten. Die unterschiedlichen kulturellen und regionalen Besonderheiten, die sich aus der historischen Entwicklung unseres Landes ergeben, bieten vielfältige Formen und Möglichkeiten zur Darstellung dieser lokalen und regionalen Eigenheiten. Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf die verschiedenen Sprachen, Dialekte und Volksgruppen in Schleswig-Holstein, insbesondere muss die friesische und dänische Kultur Berücksichtigung finden.
 
Nichtkommerzielle Lokalradios sind – wie ihr Name bereits sagt -immer lokal organisiert, lokale Themen sind deshalb auch ein elementarer Bestandteil des Programms. Im Lokalen zeigen sich viele überregionale Probleme im Konkreten, deshalb ist eine Darstellung lokaler Politik zentraler Bestandteil in Nicht-kommerziellen Lokalradios.
 
Im NKL wird auf einzigartige Weise lokale Berichterstattung betrieben, denn hier findet bereits die Produktion des Programms auf lokaler Ebene statt. Da die inhaltliche Arbeit im Nichtkommerziellen Lokalradio ehrenamtlich stattfindet, ist die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht finanziell begrenzt. Die Gestaltung des Programms wird also nicht von wenigen Journalisten und Journalistinnen vorgenommen, sondern von einer Vielzahl von engagierten Gruppen und Einzelpersonen auf lokaler Ebene. Gerade diese Lokalität ist eine Leistung, die kommerzielle Privatradios immer weniger leisten können.
 
Die nichtkommerzielle Ausrichtung und selbst bestimmte Gestaltung von Nicht-kommerziellen Lokalradios vermeidet einen Anpassungsdruck und ermöglicht die Entwicklung alternativer Formen von Medienöffentlichkeit.
 
Unseres Erachtens könnten gerade die Nichtkommerziellen Lokalradios den Regionalgruppen in Schleswig-Holstein ein Forum bieten, ihre regionalen, kulturellen und politischen Interessen im Rundfunk darzustellen. Dies würde zu einer verstärkten medialen Darstellung führen und die Einbindung in die schleswig-holsteinische Landespolitik und Kultur fördern.
 
Die Partizipation einer allgemeinen Öffentlichkeit an Nichtkommerziellen Lokalradios muss auch in Schleswig-Holstein gewährleistet werden. Gerade sog. Minderheiten und vom Mainstream-Journalismus nicht berücksichtigte Positionen benötigen solch ein Forum.
 
Indem sie den offenen kulturellen Dialog pflegen, erweist sich Nichtkommerzieller Lokalrundfunk überdies für die unterschiedlichsten Migrantengruppen als wichtige Chance und Angebote einer Integration.
 
Die regionale und kulturelle Vielfalt des Landes muss jenseits der Formatradios und der Warenvermarktung auch im Rundfunkangebot vorhanden und möglich sein.
 
Die Freie RadioCooperative e.V. sendet seit Mai 1999 wöchentlich auf der Frequenz des Offenen Kanals Westküste ein lokales Hörfunkprogramm und ist dabei oft an die Grenzen und Möglichkeiten der Offenen Kanäle gestoßen. Die Einführung von Nichtkommerziellem Lokalfunk wäre eine logische Weiterentwicklung und Ergänzung zu den bereits bestehenden Strukturen der Offenen Kanäle und der Ausbildungskanäle.
 
Es bedarf aus Sicht der FRC einer gesetzlichen Verankerung der Gleichwertigkeit von nichtkommerziellem Rundfunk. Zur Sicherung einer Pluralität der Medienlandschaft ist nach unserer Ansicht erforderlich:
 
– die Möglichkeit zur Verbreitung von nichtkommerziellem Lokalrundfunk in Schleswig-Holstein und Hamburg
 
– eine ausreichende technische Frequenzausstattung mit dem Zuschnitt auf zusammenhängende soziale, kulturelle und wirtschaftliche Regionen
 
– die Einrichtung einer/s Bürgermedienbeauftragten für Hamburg und Schleswig-Holstein
 
Wenn die demokratische Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im lokalen Rundfunk gewollt ist, dann muss der Gesetzgeber dies auch sicherstellen.
 
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[hide-this-part morelink=’8) Freies Sender Kombinat Hamburg‘]

8) Freies Sender Kombinat Hamburg
 
I.
 
Das Freie Sender Kombinat als Freies Radio im Bereich der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein hat Interesse an einer landesweiten regionalen Struktur von nichtkommerziellen Lokalradios (NKL) auch in Schleswig-Holstein. In dem Entwurf des Fünften Medienänderungsstaatsvertrags HSH sehen wir dieses Interesse nicht hinreichend und auch nicht mit der notwendigen Nachhaltigkeit widergespiegelt.
 
Wie Sie unserer ihnen vorliegenden Stellungnahme [1] bereits im Jahre 2007 entnehmen können, definieren wir NKL als „vierte Säule“ der Rundfunklandschaft. Inhaltlich und organisatorisch sind NKL damit klar unterschieden sowohl von Offenen Kanälen (OK) und Ausbildungskanälen als auch von kommerziellen Anbietern. In ihrer Struktur stellen sie einen gesellschaftlichen Mikrokosmos dar und haben im Gegensatz zu Partikularinteressen Austausch, Differenz und Vervielfachung zum medialen Gegenstand als auch Inhalt. Die OK-Struktur ist von diesem Interesse nicht berührt. Kommerzielle Anbieter stehen im Gegensatz zum Auftrag der Vielfalt und der redaktionellen Qualität. Ausführlich ist dies im 2. Abschnitt (II. Die „vierte Säule“: Zur Berücksichtigung von nichtkommerziellem, hörerInnenfinanziertem Lokalradio) unserer Stellungnahme aus 2007 nachzulesen.
 
II.
 
Wir schlagen vor, im Abschnitt „Bürgerfunk“ des Medienstaatsvertrag die bisherigen §§ 33 und 34 zu Einem zusammenzufassen und einen neuen § 34 zu entwerfen mit dem Titel „Nichtkommerzielles Lokalradio“. Dieser enthält eine Definition gemäß der oben genannten Abgrenzungen und gilt grundsätzlich ohne örtliche und regionale Beschränkung für beide Bundesländer. In § 36 Abs. 2 des Medienstaatsvertrages muß es dann heißen, daß neben dem Hamburger Bürger- und Ausbildungskanal und dem Offenen Kanal Schleswig-Holstein auch NKL gleichrangig genannt sind. An dieser Stelle wäre zu berücksichtigen, daß es sich nunmehr um den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag § 5 Abs. 6 Satz 1 handelt.
 
Wir streben die landesweite und länderübergreifende Gültigkeit an. Unser Begehr gilt dem Erreichen langfristiger Flächendeckung als wechselseitige Beziehung von Sendenden/Hörenden, beginnend durch
regionale Schwerpunktbildungen und dazu die Möglichkeit zur Gründung von Studios mit unmittelbarer Erreichbarkeit für die Bürger_Innen des Landes. Für Schleswig-Holstein stellt die Freie Radio Initiative (FRISH) das entsprechende Netzwerk dar. Sie kooperiert mit dem Freien Sender Kombinat Hamburg und dem Hamburger Lokalradio. Diese Kooperation ist dem Medienstaatsvertrag namentlich in §§ 34 und 55 hinzuzufügen.
 
Einzelne Regionen von der Einrichtung von NKL auszuschließen halten wir für nicht verfassungsgemäß. Unter anderem verstöße dies gegen individuelle und kollektive Gleichbehandlungsgrundsätze.
 
III.
 
Vernetzung, Kooperation, Sendungskooperation und länderüberschreitende Ausstrahlung stellen die Voraussetzung einer durchgängig entwickelten „vierten Säule“ der Rundfunklandschaft beider Bundesländer (und darüber hinaus) dar. Deren Ausschluß, wie er im Entwurf durchscheint, weisen wir zurück. Zum einen ist die „vierte Säule“ ohne lokale Tiefenverankerung gar nicht vorstellbar, zum anderen ist deren längerfristige Programmentwicklung qualitativen Entwicklungen geschuldet, die
wesentlich auf Austauschprozessen beruhen. Die Kompetenz des konkreten Regelungsrahmens, einschließlich der infrastrukturellen Finanzierung, sollte der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein zugeordnet werden. Das betrifft sowohl das Lizensierungsverfahren als auch Frequenzzuweisungen. Hier sind Grundsätze der gesellschaftlichen Meinungsbildung berührt, bei denen Staatsferne wie auch die Abgrenzung zu kommerziellen und verwertenden Interessen von substanzieller Bedeutung sind. Finanzierung auf Antrag unter der Bedingung der Zustimmung von Staats- und Senatskanzlei unterliegt immer der Gefahr elementarer Abhängigkeiten und steht somit im Widerspruch zum NKL-Charakter, zum Gebot medialer Unabhängigkeit insgesamt und damit auch zu vielen konkreten Bestimmungen, welche die Partei- und Staatsferne des Rundfunks regeln.
 
Wir schlagen vor, in § 55 („Finanzierung besonderer Aufgaben“) des Medienstaatsvertrages zu einer eigenen grundsätzlichen Finanzierungsregelung der NKL (diese definiert wie oben) über den Weg einer Übertragung dieser Aufgabe an die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein zu kommen. Dies gilt für die gleichberechtigte und gleichrangige Nennung im Vergleich zum Hamburger Bürger- und
Ausbildungskanal und Offenen Kanal Schleswig-Holstein und auch hinsichtlich einer konkreten prozentualen Anteilsbezeichnug vom sich nach § 40 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrages ergebenden
Rundfunkgebührenanteil in beiden Bundesländern.
 
IV.
 
Bis zur Verbschiedung des gültigen Medienstaatsvertrags lag es in der Entscheidung eines Rundfunkanbieters entweder allen oder keiner Partei Wahlwerbezeit zur Verfügung zu stellen. Nunmehr sollen nach § 13 Abs. 1 des Medienstaatsvertrag Rundfunkanbieter zur Ausstrahlung von Wahlwerbespots allen Parteien, und damit auch rechtsradikaler Propaganda, Sendezeit einräumen. Das stellt eine
schwerwiegende Beeinträchtigung der Rundfunkfreiheit dar. Ausführlicheres lesen sie dazu im 3. Abschnitt unserer oben genannten Stellungnahme aus dem Jahre 2007 (III. Besondere Sendezeiten, § 13 Abs. 1 RefE: Zum Umgang mit Wahlwerbesendungen durch Parteien). Hier schlagen wir vor, zur Entscheidungsfreiheit der Rundfunkveranstalter zurückzukehren.
 
V.
 
Auch im weiteren Verfahren möchte das FSK gehört werden. Sinnvoll erscheint uns die Hinzuziehung medienjuristischer und gesellschaftlicher Expertisen, beispielsweise durch das Hans-Bredow-Institut. Das Freie Sender Kombinat plädiert, wie bereits im Jahre 2007, ausdrücklich für ein parlamentarisches
Verfahren mit Anhörung der FRISH mit den örtlich organisierten Freien Radios. Freies Radio als Gesellschaftsfunk ensteht nicht hinter verschlossenen Türen; es wird die Luft auch des Bundeslandes zwischen den Meeren atmen.
 
[1] siehe: http://www.fsk-hh.org/fsk_erneuert_kritik_am_medienstaatsvertrag
 
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[hide-this-part morelink=’9) Hamburger Lokalradio‘]
9) Hamburger Lokalradio
 
Das Hamburger Lokalradio begrüßt die Initiative der Landesregierung Schleswig-Holstein zur Einführung nicht kommerziellen lokalen Rundfunks.
 
Das Hamburger Lokalradio ist eine als gemeinnützig anerkannte Anbietergemeinschaft von Hamburgischen und Schleswig-Holsteinischen Kultureinrichtungen. Das Programm wird ausschließlich ehrenamtlich erstellt und gesendet. Seit 1998 senden wir mit einer medienrechtlichen Zulassung, und seit 2012 haben wir darüber hinaus eine bis 2022 geltende Zulassung für Hamburg und Schleswig-Holstein. Wir senden ein Spartenprogramm mit Schwerpunkt Kunst und Kultur von derzeit 38 Stunden pro Woche, auf der Frequenz von TIDE – Hamburger Bürger- und Ausbildungskanal. Seit 2004 besteht ein privater Nutzungsvertrag zur zeitweisen Überlassung der Frequenz 96,0 mit TIDE. Die rechtliche Grundlage hierfür bietet §33(5) der aktuellen Fassung des Medienstaatsvertrages. Damit ist das Hamburger Lokalradio ein eigenständiger, selbst verantworteter, nicht kommerzieller Hörfunkveranstalter, der nicht der Programmverantwortung von TIDE unterliegt. Das bedeutet auch, dass das Hamburger Lokalradio eigenständiger Vertragspartner von Media Broadcast (Sende- und Leitungskosten) ist und darüber hinaus anteilige GEMA/GVL-Kosten an TIDE abführt.
 
Stellungnahme zu einzelnen Punkten des Entwurfs:
 
– § 28a geht von der Annahme aus, dass im Südteil des Landes Schleswig-Holstein ein Overspill aus Hamburg existiere. Das gilt unbestritten im Bereich der technischen Ausbreitung, nicht aber für die inhaltliche Ausgestaltung der Programme. Kulturberichterstattung, Anliegen von Fremden, Minoritäten
und Außenseitergruppen finden in den bestehenden kommerziell ausgerichteten Programmen keine oder nur periphere journalistische Berücksichtigung. Hingewiesen sei dabei u.a. auf die Pflege der niederdeutschen Sprache, auf fremdsprachige Programme für ausländische Mitbürger, auf ein breit gefächertes Musikangebot (Jazz und Weltmusik) jenseits des aktuellen Mainstreams (Charts), auf Sozialnachrichten, insbesondere für die Blinden und Sehbehinderten, für die das Medium Rundfunk auch weiterhin lebensnotwendig ist. Unser nicht kommerzielles Radio hat sich neben einer breiten Lokalberichterstattung gerade diese Programminhalte zu eigen gemacht. Es ist daher nicht nach zu vollziehen, dass ein großer Landesteil wie z.B. die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg bei der Frequenzvergabe für nicht kommerziellen Funk keine Berücksichtigung finden sollen. Damit wird dem Hamburger Lokalradio mit Sitz in Hamburg Lohbrügge, an der unmittelbaren Landesgrenze zu Stormarn, von vornherein eine zukünftige Bewerbungsgrundlage entzogen. Dies widerspricht unseres Erachtens dem Grundsatz der Gleichberechtigung und dem der Medienvielfalt.
 
Aus unserer Sicht sollte im §28a berücksichtigt werden:
 
Streichung der Begrenzung auf fünf Versorgungsgebiete. Dafür bietet sich folgender Gesetzes-Passus an:
 
Die Landesmedienanstalt kann im Interesse der Meinungsvielfalt in von ihr fest zu legenden Verbreitungsgebieten bis zu zwei kommerzielle Veranstalter und weitere nicht kommerzielle Veranstalter lokalen Hörfunks zulassen. Dabei hat sie auf eine ausgewogene, regionale Verteilung in unterschiedlich strukturierten Landesteilen hin zu wirken.
 
Damit wäre eine Ausgrenzung ganzer Landesteile aufgehoben und eine solche staatsvertragliche Festlegung überflüssig. Die MA HSH könnte somit staatsfern die Versorgungsgebiete klären und anschließend ausschreiben.
 
– § 28a(3) formuliert impliziert weiterhin eine Nichtzulassung des Hamburger Lokalradios in Schleswig-Holstein. Die Neufassung des Staatsvertrages sieht im Entwurf die Einführung nicht kommerziellen lokalen Rundfunks vor, die bislang nach § 17 Abs.1 nicht möglich war. Allerdings schließt der Entwurf der Neufassung in § 28a(3) im zweiten Satz eine Zuweisung für einen bereits existierenden Veranstalter aus. Davon wären das HLR und auch der Offene Kanal in Schleswig-Holstein betroffen.
 
Dagegen spricht:
 
1. Die medienrechtliche Zulassung vom 24. 9. 2012 und ihre Gültigkeit bis zum 31. 12. 2022. Damit ist das HLR berechtigt, ein Kultur-Hörfunkspartenprogramm für Hamburg und Schleswig-Holstein zu verbreiten.
 
2. Stellungnahme der MA HSH aus 2013, worin dem HSH bestätigt wurde, dass die Verbreitung seines Programms auch in Schleswig-Holstein „nichts im Wege“ stehe.
 
Dieser offensichtlich existierende Widerspruch bedarf der Erläuterung bzw. der Berücksichtigung bestehenden Rechts oder der Streichung des ersten Teilsatzes von Satz 2.
 
Nach unserem Rechtsverständnis trifft auch der 3. Satz des § 28a(3) nicht auf das HLR zu, da wir bereits über eine Zulassung verfügen.
 
– § 28a(4) Satz 1: Dieser Paragraph unterscheidet nicht zwischen kommerziellem und nicht kommerziellem Rundfunk. Es ist zu verstehen und zu begrüßen, dass eine Entwicklung verhindert werden soll, die eine feste Programm- Kooperation (z.B. Mantelprogramm) begünstigt. Dies kann und darf aber nur für kommerzielle Anbieter gelten. Nicht kommerzielle, ehrenamtlich arbeitende Lokalsender sind indes auf Kooperation mit ihresgleichen, dem Offenen Kanal und öffentlich rechtlichen Sendern und Einrichtungen im In- und Ausland angewiesen, wie es im übrigen § 3Abs. 2 des gültigen Medienstaatsvertrages vorsieht. Im übrigen schreibt §36(1) des bestehenden Mediengesetzes eine Zusammenarbeit zwischen dem Hamburgischen Bürger- und Ausbildungskanal (Tide) und dem Offenen Kanal in Schleswig-Holstein vor. Da nach der Eigendefinition der Offenen Kanal in Schleswig-Holstein sich als nicht kommerzielles Bürgermedium versteht, muss diese Zusammenarbeit auch für die zukünftig zugelassenen nicht kommerziellen Hörfunkveranstalter gelten.
 
– § 28a(5): Das Wort „Sponsoring“ sollte gestrichen werden, da in § 33 Abs. 1 des bestehenden Medienstaatsvertrages dem Hamburger Bürger- und Ausbildungskanal TIDE Sponsoring gestattet ist. Dem Grundsatz der Gleichbehandlung folgend, wurde dem HLR am 10. 12. 2012 mit Schreiben der MA HSH mitgeteilt, „dass ein begrenztes Sponsoring in einem nicht kommerziellen Hörfunkprogramm zulässig ist, wenn sicher gestellt ist, dass die finanzielle Unterstützung ausschließlich zur Realisierung von Beiträgen der Mitglieder und weiteren Nutzern des nicht kommerziellen Programms verwendet wird. Ein solches Sponsoring würde aus einem nicht kommerziellen Rundfunkprogramm keine kommerzielle Rundfunkveranstaltung machen.“
 
In der Begründung zur Neufassung wird in Nr. 5, im Anhang zu Absatz 5 von einer „finanziellen Unterstützung der Verbreitungstechnik“ gesprochen. Das bedeutet, das lediglich Leitungs- und Sendekosten berücksichtigt werden. Es ist unabdingbar, dass für nicht kommerzielle Sender auch die GEMA- und GVL-Kosten übernommen werden müssen; da sie zu „Formen der nicht kommerziellen Veranstaltung von Rundfunk“ gehören, wie es im § 55 des gültigen Mediengesetzes heißt.
 
– § 30(3) Satz3 Nr. 1: Weiterhin ist anzumerken, dass nach dem Sechsten Abschnitt (Bürgermedien) des bestehenden Medienstaatsvertrags, der Offene Kanal Schleswig-Holstein bei der Einspeisung in Kabelanlagen von Kosten befreit ist. Dies muss zukünftig auch für nicht kommerzielle Lokalradios in Schleswig-Holstein gelten. Bei der Einspeisung in analoge Kabelanlagen berücksichtigt der Entwurf nur Vollprogramme. Da der § 30(3) Satz1 des bestehenden Mediengesetzes zwischen Spartenprogramm und Vollprogramm unterscheidet, ist die Begründung zur Neufassung des Medienstaatsvertrages unklar, da sie Spartenprogramme ausspart. Hier besteht Klärungsbedarf.
 
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10) Bundesverband Freier Radios
 
Sehr geehrter Dr. Matthias Knothe,
 
über die Freie Radio Initiative in Schleswig-Holstein (FRISH) und unsere Mitglieder FSK in Hamburg und Freie RadioCooperative in Husum sind wir als Bundesverband der Freien Radios auf den Entwurf des Medienänderungsstaatsvertrages aufmerksam gemacht worden. Wir begrüßen das Vorhaben zur Einführung lokaler Radios und möchten zu einigen Punkten Stellung nehmen:
 
In Schleswig-Holstein gibt es Initiativen für Freie Radios in Flensburg, Husum, Kiel, Lübeck, Neumünster und Pinneberg. Eine Einschränkung auf fünf vorher definierte Regionen lehnen wir daher ab und bitten um die Berücksichtigung der bereits existierenden Initiativen. Kiel als Landeshauptstadt ist ein wichtiger Standort, der bisher im Änderungsvertrag noch nicht benannt wurde. Ebenso fehlt der südliche Landesteil. Vorrangig sollte sich die Frage des Sendestandortes neben den technischen Voraussetzungen am lokalen Bedarf orientieren, der von den Initiativen Freier Radios vor Ort formuliert und getragen wird.
 
Wir sehen zudem keine Notwendigkeit zu den existierenden nichtkommerziellen Initiativen noch kommerzielle Anbieter einzuführen, da diese nicht das Potential haben mehr Vielfalt zu bieten. Nichtkommerzielle Radios sind durch die ehrenamtlichen Redakteur_innen  vor Ort stark verankert. Es wird die Vielfalt in den Sendegebieten  abgebildet.  Sie fördern durch den partizipativen Zugang soziale, kulturelle sowie musikalische Kräfte auf Basis antirassistischer und diskriminierungsfreier Prinzipien. So dienen sie zugleich dem Gemeinwohl. Sie können nicht durch kommerzielle Anbieter ersetzt oder ausgetauscht werden. 
 
Im Entwurf des Medienänderungsstaatsvertrags fehlt die Anerkennung der nichtkommerziellen Radioinitiativen als Bürgermedien. Die Benennung von Nichtkommerziellen Lokalradios (NKL) in der Rubrik Bürgermedien (§ 33-36) ist zu ergänzen, da es das wesentliche Merkmal der NKL ist.
 
Die Klausel über die Übernahme von Programmen anderer Sender ist unklar. Real wird damit die geplante Zusammenarbeit Freier Radios bzw. der Programmaustausch eingeschränkt. Die Initiativen planen als Freie Radios eine redaktionelle Vernetzung, einen Sendungsaustausch mit anderen Städten. Der Verbund erhöht die Themenvielfalt und schränkt sie nicht ein. Wir empfehlen daher den Programmaustausch für NKL zu erlauben.
 
Die Finanzierung nichtkommerzieller Lokalradios ist im Entwurf unzureichend geregelt. Wir schlagen dazu als Orientierung die Ausführungen der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein in der Studie „Perspektiven für lokalen Hörfunk Schleswig-Holstein“ vor und befürworten eine dauerhafte und nachhaltige Förderung als stabile Basis für das Engagement der Radioinitiativen. Im Gesetz muss klargestellt werden, dass die Medienanstalt nichtkommerzielle Radios fördern kann. Wünschenswert ist eine Muss- oder  Soll-Vorschrift zur Förderung von NKLs durch die Medienanstalt. In  anderen Bundesländern sind solche Regelungen üblich.
 
Wir beobachten mit Spannung die weitere Debatte zum Medienstaatsvertrag und bringen gern unsere jahrzehntelangen Erfahrungen zu Freien Radios in vielen Bundesländern ein. Wir appellieren daran, die lokalen Initiativen in den Prozess weiter einzubinden und anzuhören. Der Bundesverband Freier Radios mit seinen 30 Mitgliedsradios hofft auf ein Gesetz, welches grundsätzlich Freie Radios in ganz Schleswig-Holstein ermöglicht.
 
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Mitschnitt: Völkische Friedensfreunde: Über Querfront-Strategen, Reichsbürger und Verschwörungsgläubige

Martin Wassermann hat sich am 15.06. auf einer Veranstaltung in der Kieler Pumpe den „Montagsmahnwachen für den Frieden“ gewidmet.
Dabei hat er sehr detailliert Verbindungen wichtiger Akteure der Mahnwachen in ein extrem rechtes und antisemitisches Milieu aufgezeigt.
Was für Kiel allerdings weiterhin eine offene Aufgabe bleibt, ist es, zu beleuchten, wie der gesellschaftliche Wahn den individuellen Wahn der an den Mahnwachen teilnehmenden Leute prägt.

Mitschnitt des Vortrags:

Mitschnitt der anschließenden Diskussion – teilweise leider in nicht so toller Qualität, weil das Mikro auf den Referenten ausgerichtet war:

Tag der Sehbehinderten: SHZ oder sehbehindert ist wenn deine Brille dreckig ist. Ein Kommentar

Kommentar:

Für den Tag der Sehbehinderten ruft der Bundesverband der Sehbehinderten jedes Jahr zu einer spezifischen Kampagne auf. Diese Jahr geht es um Smartphones als Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte Menschen.

Dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag sind die Interessen der Menschen mit Behinderung aber egal. Der heutige Beitrag des SHZ ist ein Erfahrungsbericht einer Redakteurin, die Schlaftrunken durch ihre offensichtlich vermüllte Wohnung wankt. Mit Blinden und Sehbehinderten Menschen soll der Beitrag verbinden, dass die Protagonistin eine Brille trägt. Und der Gipfel der beschriebenen Diskriminierungserfahrung der Journalistin ist: Die Brille ist DRECKIG.
Hinzu kommen traumatische Beschreibung ihrer Kindheit, in der sie als Vierauge und Brillenschlange betitelt wurde.
Mit Sehbehinderung hat das wenig zu tun. Denn von sehbehindert wird gesprochen wenn jemand nur noch 30% oder weniger seiner Sehfähigkeit hat und das auch incl. Hilfsmittel wie Brille! Damit einher gehen massive Einschränkungen der Handlungsfähigkeit und die Erfahrungen einer gesellschaftlichen Exklusion.

Den biographischen Narrativ der SHZ Redakteurin als Diskriminierungserfahrung im Kontext von Sehbehinderung und Blindheit darzustellen ist Ausdruck von Narzissmus und der Reproduktion von Diskriminierung. Ihr Problem ist ein potentieller modisches Makel, weil sie eine Brille tragen muss. Menschen mit Sehbehinderung müssen den Tod im Straßenverkehr fürchten, weil Ampeln keine akustischen oder sensorischen Signale senden. Zudem müssen sich Menschen mit Sehbehinderung in der Öffentlichkeit mit stigmatisierenden Armbinden (an beiden Armen) markieren um versichert zu sein.

Diesen Erfahrungsbericht in den Kontext des Tages der Sehbehinderten zu stellen, ist mehr als unbedarft, es ist eine selbstverliebte Inszenierung.